19. Mai 2025
Familie: So viele Stunden arbeitet jede Frau – unbezahlt
Der Equal Care Day soll darauf aufmerksam machen, dass Frauen immer noch viel mehr Dienst im Haushalt und in der Erziehung leisten als Männer. Welche Folgen das hat – und was sich in unserer Gesellschaft ändern muss. 

Der Equal Care Day soll darauf aufmerksam machen, dass Frauen immer noch viel mehr Dienst im Haushalt und in der Erziehung leisten als Männer. Welche Folgen das hat – und was sich in unserer Gesellschaft ändern muss. 

Der Artikel erschien erstmals zum Equal Care Day am 29.2.2025

Frauen verbringen im Durchschnitt knapp 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, Männer knapp 21. Das zeigen die Ergebnisse eines Zeiterhebungsverfahrens von 2022, die am 28. Februar 2024 in einer Pressekonferenz vom Statistischen Bundesamt vorgestellt wurden. Der Gender Care Gap lag somit bei 43,8 Prozent. Damit ist der Zeitaufwand gemeint, den Frauen im Vergleich zu Männern für Sorgearbeit aufbringen. Kurz gesagt: 2022 investierten Frauen 43,8 Prozent mehr Zeit in Haushalt, Kindererziehung und Co. als Männer. Bei der Erhebung 2012/2013 waren es 52,4 Prozent. 

„Eine Differenz von neun Stunden hört sich erst einmal nicht viel an“, sagt die Autorin und Pädagogin Susanne Mierau, die sich unter anderem für die Themen Gleichberechtigung und Fürsorge starkmacht. Was heißt das aber im Alltag? „Neun Stunden sind mehr als ein ganzer Arbeitstag. Mehr als ein ganzer Arbeitstag ohne Bezahlung oder ohne Anrechnung dieser Leistung beziehungsweise des Ausfalls, der in dieser Zeit möglichen Erwerbsarbeit, ohne Anrecht auf Urlaub und auch oft ohne ausreichend emotionale Wertschätzung.“

Zeitaufwand für unbezahlte Arbeit 2022: Personen ab 18 Jahren, in Stunden pro Woche
© DESTATIS; Quelle: Zeitverwendungserhebung 2022; Abweichungen rundungsbedingt

Eine App zeigt, wie viel die Care-Arbeit wert ist

Wie sich die Care Arbeit unter Frauen und Männer konkret aufteilt, zeigen weitere Zahlen des Zeiterhebungsverfahrens. Sechs Stunden und 46 Minuten verbringen Frauen pro Woche durchschnittlich mit der Zubereitung von Mahlzeiten und Hausarbeit in der Küche. Wohingegen Männer dies nur drei Stunden und 40 Minuten tun. Noch größer ist der Unterschied bei der Instandhaltung von Haus und Wohnung sowie dem Ändern und Pflegen von Textilien. Männer gaben zwei Stunden und 52 Minuten an, Frauen sechs Stunden und 28 Minuten. Auch bei der Betreuung, Pflege und Unterstützung von Haushaltsmitgliedern bringen sich Frauen deutlich mehr ein. Männer investieren dagegen mehr Zeit im Bereich Gartenarbeit, Pflanzen- und Tierpflege, Bauen und handwerkliche Tätigkeiten. 

Mit der App „WhoCares“ kann man den Wert der unbezahlten Arbeit, die man täglich erbringt, berechnen. Man kann unter anderem die Kategorien „Putzen“, „Kochen“, „Kinder“, „Emo-Arbeit“ oder „Reparieren“ auswählen. Dann stoppt man die Zeit und rechnet sein Gehalt aus. Zudem hat man die Möglichkeiten, seine Arbeit in Mindestgehalt, durchschnittliches Gehalt oder eigenes Gehalt umrechnen zu lassen. Nimmt man ein durchschnittliches Gehalt, erhält man pro Minute 31 Cent. Hochgerechnet auf 29 Stunden und 47 Minuten, die eine Frau pro Woche durchschnittlich erbringt, ergibt das ein Monatsgehalt von ungefähr 2215 Euro. 

Care-Arbeit bei Menschen mit und ohne Kinder

Mütter und Väter leisten wöchentlich etwa elf Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Menschen ohne Kinder, wie die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts zeigen. Eine Frau mit Kind erbringt knapp 17,5 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche und gut 39 Stunden Sorgearbeit. Eine kinderlose Frau kommt auf etwas mehr als 22 Stunden bezahlte und 24 Stunden unbezahlte Arbeit. Ist mindestens ein Kind unter sechs Jahre, kommt eine Frau sogar auf 48 Stunden Sorgearbeit pro Woche. 

Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit von Frauen: Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren mit und ohne Kinder im eigenen Haushalt, in Stunden pro Woche
© DESTATIS; Quelle: Zeitverwendungserhebung 2022; Abweichungen rundungsbedingt

Dass Frauen gerade mit Kind so viel mehr Care-Arbeit leisten, ist ein strukturelles Problem. „Schon Mädchen lernen, dass sie eher für Sorgearbeit zuständig sind“, erklärt Susanne Mierau. „Sie lernen im Spiel, sich zu kümmern und sich so vorzubereiten auf eine Aufgabe, die ihr ganzes Leben bestehen bleiben wird bis in die Großmutterzeit.“ Es erscheine Frauen deswegen auch im Erwachsenenalter selbstverständlich, für das Kümmern zuständig zu sein. Die über Jahrhunderte festgelegte Rolle wurde irgendwann als „natürlich“ dargestellt, als seien Frauen qua Geschlecht besser dafür geeignet. „Wir wissen heute eigentlich, dass das nicht stimmt: Sorgen wird gelernt und ist keine Frage des Geschlechts. In Verbindung mit strukturellen Problemen wie dem Gender Pay Gap und fehlender Vaterfreistellung nach der Geburt werden Frauen in diese Rolle noch mehr hineingedrängt“, erklärt Mierau.

Susanne Mierau ist Pädagogin, Autorin und Feministin. Sie hat das Buch „Füreinander sorgen: Warum unsere Gesellschaft ein neues Miteinander braucht“ geschrieben
© Dorothea Vesper

Pflege von Angehörigen hauptsächlich von Frauen

Neben Kinderbetreuung, Haushalt und Co. bringen Frauen auch mehr Zeit als Männer auf, wenn es um die Pflege von Angehörigen geht. Ein Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung aus dem Jahr 2020 zeigt, dass etwa zwei Drittel der Pflegenden in Deutschland Frauen sind. 

Die Tatsache, dass Frauen viel Zeit mit unbezahlter Arbeit verbringen, hat Auswirkungen. Weniger Erwerbstätigkeit bedeutet weniger Einkommen, weniger Einkommen bedeutet weniger Rente. Laut des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung erhielten Frauen 2021 durchschnittlich 420 Euro weniger Rente als Männer, das waren 34 Prozentpunkte. Care-Arbeit stellt ein Armutsrisiko für Frauen dar.

„Sorgearbeit muss gedanklich und praktisch vom weiblichen Geschlecht entkoppelt werden, und die Rechte von Frauen und ihre gesellschaftliche Position müssen verbessert werden“, sagt Susanne Mierau. Eigentlich sei das Sorgen umeinander der Kern unseres menschlichen Seins. Als Menschheit hätten wir uns wegen des Bindungssystems und unserer gegenseitigen Unterstützung und dem Miteinander so weit entwickelt, erklärt die Pädagogin. 

Dieser wichtige Aspekt der Menschheit nehme aber nicht den angemessenen Raum in unserem Sein und Handeln ein. Weder gedanklich noch praktisch. „Wir müssen diesem Handeln auch mehr Zeit schenken im Alltag und unseren Lebensläufen – persönlich, aber auch politisch und arbeitsrechtlich. Es wäre sinnvoll, wenn alle Menschen eine feste Zeit an Jahren für Care-Arbeit zur Verfügung gestellt bekommen“, sagt Mierau.