5. Juni 2025
Hollywood-Star: Wildes Leben, tiefe Abstürze: Tony Curtis wäre 100 geworden
Tony Curtis stammt aus einer bitterarmen Einwandererfamilie und hat eine große Karriere hingelegt. Aber auch die Schattenseiten des Ruhms erlebt. Am Dienstag wäre er 100 Jahre alt geworden.

Tony Curtis stammt aus einer bitterarmen Einwandererfamilie und hat eine große Karriere hingelegt. Aber auch die Schattenseiten des Ruhms erlebt. Am Dienstag wäre er 100 Jahre alt geworden.

Er war einer der ganz Großen von Hollywood. Vielleicht sogar der Größte, weil keiner so offen war wie er. Auf die Frage nach den Ursachen seines Ruhms antwortete Tony Curtis (1925-2010): „Wissen Sie, was das Problem mit Leuten wie mir ist? Wir haben sehr schnell sehr großen Erfolg ohne nachzudenken. Liegt das am Talent oder haben wir einfach verdammtes Glück?“

Das mit dem Glück hält sich im Leben die Waage. Tony Curtis hatte in vielen Phasen auch Pech, so dass der „Spiegel“ über ihn schrieb: „Sein Ruhm strahlte heller als der seiner Kollegen, sein Leben war wilder und seine Abstürze waren tiefer.“

Kein Oscar für den Hollywoodstar

Am 3. Juni wäre Tony Curtis 100 Jahre alt geworden. Leider ist er schon vor 15 Jahren gestorben. Man erinnert sich wehmütig an ihn, denn einer wie Tony Curtis fehlt offenbar heute im Star-Ensemble von Hollywood.

„Ein gut aussehender Junge, der scheinbar leichtfüßig und flamboyant den Glanz verkörperte, der nun einmal zum Zauber des Kinos dazu gehört. In seinen Augen konnte man sich leicht verlieren. Sein Charme und Charisma wirkten weit über das Zelluloid hinaus“, schwärmte die „Zeit“.

Gleichwohl hat es ihm das offizielle Hollywood nur mit einem Stern auf dem Walk of Fame gedankt: Einen Oscar hat er nie bekommen. Und beim Golden Globe wurden ihm auch nur der längst gestrichene Henrietta Award als „Beliebtester Darsteller“ (1958, 1961) verliehen.

Tony Curtis kam aus einer armen Familie

Dass er überhaupt in Hollywood gelandet ist, war einer der großen Glücksfälle seines Lebens. Zuvor war er eindeutig auf der Schattenseite. Er wurde 1925 in New York City als Bernard Schwartz geboren, seine Eltern waren jüdische Einwanderer aus Ungarn und so bitterarm, dass sie den kleinen Bernie und seinen Bruder Julius zeitweise ins Waisenhaus brachten, weil es zuhause nicht genügend zu essen gab. Bis zu seiner Einschulung sprach der Junge kein Englisch, sondern nur Ungarisch und Jiddisch.

Die Straßen der Bronx waren für den kleinen Bernard die erste Bühne, offenbar hatte er das Talent des Vaters geerbt, eines Schneiders mit schauspielerischen Ambitionen. Er führte für Nachbarskinder spontane Shows auf. Darin verarbeitete er seine eigene Geschichte: die Not der Familie, die Schizophrenie der Mutter, den Tod seines älteren Bruders, der von einem Lastwagen überfahren worden war, und die psychische Erkrankung des jüngeren Bruders, der später als Bettler enden sollte. Auch die antisemitischen Anfeindungen des Alltags flossen in seine Aufführungen ein. Nach dem Abschluss der Highschool wollte Bernard nur noch eins: raus hier! Da war er gerade einmal 16 Jahre alt.

Nach dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor meldete er sich 1941 bei der US-Marine und diente bis Kriegsende 1945. Nach seiner Entlassung konnte er durch das Veteranenprogramm GI Bill kostenlos am City College of New York studieren, dann an der New School im Greenwich Village Schauspiel. Er wollte unbedingt Schauspieler werden, das wusste er seit seinem ersten Auftritt im Schultheater.

Aufbruch nach Hollywood

In New York unterrichtete ihn der legendäre deutsche Bühnenregisseur Erwin Piscator (1893-1966), der im New Yorker Exil lebte, in seinem Dramatic Workshop. Dort entdeckte ihn eine Talentagentin aus Hollywood, er zog an die Westküste.

Zeitweilig lebte er in Los Angeles mit Marlon Brando (1924-2004) in einer Wohngemeinschaft, doch dessen besessene Method-Acting-Akribie der Strasberg-Schule mochte er weniger. Er kam aus der Piscator-Schule und sah sich als instinktiver Schauspieler klassischer Prägung.

Und er sah – wie auch der junge Brando – verdammt gut aus, nur hatte er nicht dessen dramatische Schönheit, sondern eine hinreißende Verschmitztheit, die besonders gut bei Frauen ankam. Das lag auch an seiner eigenwilligen Frisur. Ende der 40er-Jahre trugen fast alle amerikanischen Männer einen militärischen Bürstenhaarschnitt, der junge Schwartz jedoch ließ sich die Stirnlocken länger wachsen. Später erinnerte er sich: „Meine Frisur machte mich zum Helden für praktisch jeden weißen Teenager in Amerika.“ Sogar Elvis Presley (1935-1977) habe den Schnitt kopiert.

Der junge Mann, der wegen des Geldes und der vielen schönen Frauen an die Westküste gekommen war, unterschrieb mit 23 einen Standardvertrag bei Universal Pictures. Er änderte seinen Namen in Anthony Curtis (Anthony nach dem Roman „Anthony Adverse“, Curtis nach dem Mädchennamen Kurtz seiner Mutter).

In den Studios lernte er die Kollegen Rock Hudson (1925-1985) und Piper Laurie (1932-2023) kennen, da spürte er zum ersten Mal die Konkurrenz und eine traumatische Angst, zu versagen und als Loser in die Armut der Bronx zurückzukehren. Später schrieb er: „Ich hatte eine Chance von eins zu einer Million, war derjenige, der am wenigsten Erfolg haben würde. Ich war nicht der Letzte auf der Totemstange, ich war unter der Totemstange, in einem Abwasserkanal, an einen Sack gefesselt.“

Seine Karriere beginnt

1949 hatte er sein Debüt mit einem winzigen Auftritt als Rumbatänzer im Krimidrama „Gewagtes Alibi“ (mit Burt Lancaster und Yvonne de Carlo). Er musste mit Yvonne de Carlo tanzen und fing ein Techtelmechtel mit ihr an. Später schrieb er in seiner Autobiografie „American Prince: A Memoir“: „Sie lag nackt mit mir in einem Bett auf dem Mulholland Drive mit Blick über L. A. Das war wie ein Hauptgewinn im Lotto.“

Im nächsten Film „Die Brut des Satans“ hatte er schon eine kleine Sprechrolle. Bis 1951 wirkte er in acht weiteren Filmen mit, dann bekam er in „Die Diebe von Marschan“ seine erste Hauptrolle. Es wurde ein Kassenschlager, Tony Curtis hatte sich etabliert. Er spielte nicht nur mit den Stars, er war nun selbst einer. Einer der letzten großen Stars des alten Hollywoods. Und er spielte mit den größten Schauspielern seiner Zeit, darunter Kirk Douglas (1916-2020) in Stanley Kubricks „Spartacus“ (1960). Für seine Rolle in „Flucht in Ketten“ an der Seite von Sidney Poitier (1927-2022) wird er 1959 für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert. Er bekommt ihn nicht.

Eine seiner Paraderollen hatte er in Billy Wilders (1906-2002) berühmter Krimikomödie „Manche mögen’s heiß“. Seine kongenialen Partner: Jack Lemmon (1925-2001) und Marilyn Monroe (1926-1962), mit der Tony Curtis natürlich sofort eine Affäre hatte, über die er in seinen Memoiren berichtete. Doch bei den Oscars ging er wieder leer aus.

Vom Hollywood- zum TV-Star

Tony Curtis war nun zunehmend auf leichte Komödien festgelegt, und er arbeitete wie am Fließband: Von 1949 bis 1965 wirkte er in 54 von insgesamt 140 Filmen mit, doch er spürte auch, dass es nicht so weitergehen würde. Auch Hollywood hatte sich verändert. 1967 veröffentlichte das Magazin „Variety“ eine Liste der „bestbezahlten Schauspieler, die in den letzten Jahren ihr Geld nicht wert waren“, auf Platz 1: Tony Curtis. Das neue Hollywood hat „neue Stars wie Robert De Niro und Dustin Hoffman“. Sie „entsprechen dem neuen Typus des intellektuellen Outsiders und prägen einen neuen urbanen Realismus. Die Zeit für Tony Curtis scheint vorbei.“ („Die Zeit“)

1968 gelang ihm mit „Der Frauenmörder von Boston“ noch einmal ein großer Wurf, einer seiner besten Filme, doch mit dem Oscar war wieder nichts. Dann, zwei Jahre später, wurde er TV-Star, ein Novum, denn bis dahin hatte es kein Schauspieler seiner Kategorie für nötig befunden, eine Hauptrolle im Fernsehen anzunehmen. Tony Curtis wurde an der Seite von Roger Moore (1927-2017) mit der Serie „Die 2“ zum bestbezahlten Fernsehstar der Welt. Vor allem in Deutschland wurde das Format 1970-71 durch die Blödel-Synchronisation von Rainer Brandt (1936-2024) Kult.

Er heiratete sechs Mal

Ab den 80er-Jahren verwaltete Curtis „die eigene Legende, in Talkshows, Interviews, Büchern“ („Tagesspiegel“). In den Medien wurde mehr über seine sechs Ehen, darunter mit Hollywoodstar Janet Leigh (1927-2004) und der deutschen Schauspielerin Christine Kaufmann (1945-2017), berichtet. Von seinen Frauen hatte er sechs Kinder, Sohn Nicholas starb 1994 mit 23 an einer Überdosis Heroin.

Vor allem seine beiden Töchter und Schauspielerinnen Jamie Lee Curtis („Er war kein Vater und er war auch nicht interessiert daran, einer zu sein“) und Allegra Curtis zeichneten ein düsteres Bild von Tony Curtis als Vater. Allegra sprach in einem Interview mit der „Welt“ von einem Mann, der in Depressionen, Selbstmitleid und der Sucht nach Alkohol und Drogen versunken war.

Tony Curtis, der es in seiner Zweitkarriere als Maler mit seinen „Time Boxes“ sogar ins Museum of Modern Art in New York geschafft hatte, starb am 29. September 2010 im Alter von 85 Jahren an seinem Lungenleiden COPD, das er sich als Kettenraucher zugezogen hatte.

Kurze Zeit nach seinem Tod sorgte er ein letztes Mal für einen Medien-Knaller: In seinem Testament enterbte er seine Kinder, das Vermögen von über 60 Millionen US-Dollar ging an seine sechste Frau, die 45 Jahre jüngere Reitlehrerin Jill Vandenberg.