
In Bayern sind zwei Männer am Bornavirus erkrankt, einer von ihnen ist daran gestorben. Lange war die durch BoDV-1 ausgelöste Infektionskrankheit, die meist tödlich verläuft, nur von Nutztieren bekannt.
In Oberbayern ist bei zwei Männern die sehr seltene, aber lebensbedrohliche Infektion mit dem Borna-Virus nachgewiesen worden. Ein weiterer am Virus erkrankter Mann werde derzeit behandelt, teilte eine Sprecherin des Landratsamts Pfaffenhofen an der Ilm mit. Beide Männer kommen demnach aus dem Stadtgebiet von Pfaffenhofen. Das Gesundheitsamt kläre derzeit „intensiv“ den möglichen Infektionsweg ab und stehe in engem Kontakt mit den Expertinnen und Experten des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).
Im Juni 2022 war das Bornavirus schon einmal in Bayern bei einem Menschen aus dem westlichen Landkreis Mühldorf am Inn festgestellt worden. Ende des Jahres 2021 wurde das Bornavirus in Sachsen-Anhalt bei einer 58-Jährigen aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld nachgewiesen. Deutschlandweit war es bereits in den Jahren zuvor zu einzelnen bekannten Infektionen beim Menschen gekommen.
Bislang sind rund 45 Fälle von BoDV-1 Erkrankungen beim Menschen nachgewiesen worden. Aktuell werden jährlich weniger als zehn Fälle für ganz Deutschland gemeldet, eine überwiegende Mehrheit aus Bayern.
Was ist das Bornavirus?
Das Borna Disease Virus 1, kurz BoDV-1, ist schon seit Langem als Erreger der Borna’schen Krankheit bekannt. Lange Zeit war dieser nur bei Nutztieren wie Pferden und Schafen in Mitteleuropa bekannt. Beim Menschen wurde das Virus BoDV-1 erstmals im Jahr 2018 als Ursache für schwere Gehirnentzündungen beim Menschen nachgewiesen.
Die Krankheit ist seit 2020 meldepflichtig. Seitdem seien dem Robert Koch-Institut (RKI) bis zu sechs akute Fälle von BoDV-1 Enzephalitis pro Meldejahr übermittelt worden, ein Großteil der Fälle davon in Bayern, schreibt das LGL weiter.
BoDV-1 ist nicht identisch mit dem nah verwandten Bunthörnchen-Bornavirus (Variegated squirrel bornavirus 1, VSBV-1). Der bei Bunthörnchen auftretende Erreger ist ebenfalls auf den Menschen übertragbar, wie man seit einigen Jahren weiß. Es war erstmals bei drei Hobbyzüchtern aus Sachsen-Anhalt nachgewiesen worden, die in den Jahren 2011 bis 2013 mit Symptomen einer Gehirnentzündung in Kliniken behandelt und gestorben waren.
Wo kommt BoDV-1 vor?
Laut dem Robert Koch-Institut wurde als natürliches Reservoir von BoDV-1 die in Mittel- und Südosteuropa verbreitete Feldspitzmaus, wissenschaftlich Crocidura leucodon, identifiziert. Vermutlich werden die Viren von infizierten Feldspitzmäusen über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden.
In Deutschland sind bekannte Endemiegebiete für BoDV-1 vor allem Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt sowie angrenzende Regionen dieser Bundesländer. Außerdem wurde das Virus bei Tieren in der Schweiz (v.a. Alpenrhein), Liechtenstein und Österreich (v.a. Vorarlberg und Oberösterreich) nachgewiesen.
Wie wird das Virus übertragen?
Die genauen Infektionswege des Bornavirus sind in der Wissenschaft noch nicht zweifelsfrei geklärt. Es sind verschiedene Übertragungswege denkbar – etwa die Aufnahme des Virus über verunreinigte Lebensmittel oder Wasser oder eine Schmierinfektion über kontaminierte Erde. Vermutet wird, dass Pferde und Schafe beim Fressen mit der Feldspitzmaus oder deren Ausscheidungen in Kontakt kommen und sich so mit dem Erreger infizieren.
Bei der Übertragung auf den Menschen sind verschiedene Szenarien denkbar. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich der Mensch ebenfalls über den Kontakt mit den Ausscheidungen von Spitzmäusen oder den direkten Tierkontakt ansteckt. Um sich vor einer Infektion zu schützen, rät das LGL, den Kontakt mit Spitzmäusen und ihren Ausscheidungen zu meiden. Lebende oder tote Tiere sollten nicht mit bloßen Händen berührt werden.
Auch die Aufnahme über verunreinigte Lebensmittel oder Wasser sowie das Einatmen des Virus über kontaminierten Staub könnte zu einer Infektion beim Menschen führen. Es ist außerdem vorstellbar, dass andere Tiere als Bindeglied der Infektionskette eine tragende Rolle spielen – zum Beispiel Hauskatzen, die Spitzmäuse jagen.
Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist dem Robert Koch-Institut zufolge sehr unwahrscheinlich. Andere Tiere als Spitzmäuse gelten ebenfalls als nicht-infektiös für Tier und Mensch.
Wie groß ist die Infektionsgefahr in Deutschland?
Fachleute gehen davon aus, dass pro Jahr etwa zwei bis sechs akute Erkrankungen beim Menschen durch das Bornavirus in Deutschland hervorgerufen werden. Laut dem Ärzteblatt sind bei den wenigen bislang bekannten Infektionen – mit Ausnahme jüngerer Kinder – alle Altersgruppen und beide Geschlechter betroffen. Da die Infektionsgefahr vor allem beim Kontakt mit Spitzmäusen besteht, muss man nach jetzigem Kenntnisstand davon ausgehen, dass solche infektiösen Kontakte selten und eher schwer zu verhindern sind.
Ein vorstellbares erhöhtes Infektionsrisiko besteht demnach bei Aktivitäten im Freien, die zum Kontakt mit Spitzmäusen oder deren Ausscheidungen führen können – also beispielsweise Gartenarbeiten, Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft oder im Bauwesen sowie die Reinigung von Gebäuden, in denen Spitzmäuse vorkamen. In den Jahren 2018 und 2019 hatten sich außerdem drei Menschen über eine Organspende mit der tödlichen Krankheit angesteckt, weil sie eine Niere beziehungsweise die Leber eines Infizierten aus Bayern bekommen hatten.
Welche Symptome sind typisch bei einer Infektion?
Zu den häufigsten Symptomen, die zu Beginn der Erkrankung auftreten, zählen Kopfschmerzen und Fieber. Im weiteren Verlauf kam es bei betroffenen Patientinnen und Patienten zu neurologischen Symptomen, wie Verhaltensauffälligkeiten sowie Sprach- und Gangstörungen, und im weiteren Verlauf innerhalb von Tagen oder wenigen Wochen zum Koma.
Ist das Bornavirus für den Menschen gefährlich?
Das Borna Disease Virus 1 kann bei Menschen schwere Gehirnentzündungen verursachen. Die wenigen bekannten Erkrankungsfälle verliefen für den Menschen mit nur einer Ausnahme tödlich. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es keine spezifische Therapie gegen eine Bornavirus-Infektion, weshalb die Behandlung aus unterstützenden Maßnahmen mit intensivmedizinischer Betreuung besteht.