
Die Parteibasis sorgt beim Thüringer Führungspersonal für einen unfreiwilligen Wechsel: Statt des bisherigen Duos Christian Schaft und Ulrike Grosse-Röthig wählt sie zwei Neulinge an die Spitze.
Die Thüringer Linke hat auf einem turbulenten Parteitag in Ilmenau ihr Spitzenpersonal überraschend ausgetauscht. Zur neuen Parteivorsitzenden wurde die 34 Jahre alte Landtagsabgeordnete Katja Maurer gewählt, nachdem die bisherige Vorsitzende Ulrike Grosse-Röthig ihre Kandidatur zurückgezogen hatte. Maurer erhielt 91,4 Prozent der abgegebenen Stimmen. Zum Co-Vorsitzenden wurde der frühere Ostthüringer Landtagsabgeordnete Ralf Plötner (42) mit 81,9 Prozent bestimmt.
Zuvor hatte sich die Parteibasis gegen ein Vorhaben gestellt, das die Wiederwahl des Fraktionsvorsitzenden Christian Schaft zum Parteichef ermöglichen sollte. Es ging darum, dass Verbot einer Ämterhäufung aufweichen.
Überraschungskandidaten wurden gewählt
Bei der Abstimmung pochten 50,8 Prozent der Delegierten darauf, dass der Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag nicht gleichzeitig Parteichef sein darf und lehnten eine Satzungsänderung ab. 41,5 Prozent der Delegierten votierten für die Satzungsänderung, für die eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig gewesen wäre und für die auch Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow geworben hatte. Schaft, er seit 2021 an der Parteispitze steht, hatte eine Kandidatur von einer Satzungsänderung abhängig gemacht.
Der Parteitag wurde nach der Abstimmung über die Satzungsänderung unterbrochen. Danach trat Grosse-Röthig von ihrer Kandidatur mit der Begründung zurück, dass sie als Team mit Schaft agieren wollte. Maurer und Plötner bewarben sich schließlich als Überraschungskandidaten für den Parteivorsitz. Gegenkandidaten gab es nicht. Maurer sagte bei ihrer Bewerbung, „ich hatte nicht vor, zu kandidieren. Das ist keine leichte Entscheidung“. Sie stammt aus Kasachstan und ist studierte Sozialanthropologin. Maurer gehört dem Landtag seit 2019 an und ist Vize-Fraktionsvorsitzende.
Kritische Begleitung der Regierungskoalition
Grosse-Röthig und Schaft erhielten nach der Wahl ihrer Nachfolger viel Beifall von den Delegierten für ihre Arbeit in den vergangenen Jahren. Schaft sagte, „wir haben keine offene Feldschlacht geführt“. Zwischen die Parteispitze und die Landtagsfraktion „passt kein Blatt Papier“.
Die Thüringer Linke zeichne aus, „dass wir einen kontroversen Weg gehen“, sagte Maurer am Rand des Parteitags. „Wir waren in einer Situation, in der wir uns schnell neu sortieren mussten.“ Plötner kündigte an, dass die Linke „höchst kritisch die Brombeer-Koalition begleiten wird“. In Thüringen regiert eine Koalition aus CDU, BSW und SPD.
Schaft bleibt Fraktionschef im Landtag
Schaft sagte, er habe ein politisches Angebot gemacht und respektiere die Entscheidung. Es sei dabei nicht vordergründig um ihn, sondern eine Grundsatzfrage gegangen, die seit Jahren in der Linken kontrovers diskutiert werde. „Ich habe mit allen Varianten rechnen müssen.“ Vorsitzender der Linke-Landtagsfraktion, die neben einer starken AfD die zweite Oppositionspartei im Parlament in Erfurt ist, will der 34-Jährige bleiben.
Er sehe seine Position auch nicht geschwächt und gehe von einer engen Zusammenarbeit mit dem neuen Vorstand aus. „Die Fraktion ist kein eigener Kosmos.“ Thüringens Regierungskoalition muss bei wichtigen Entscheidungen mit der Linken verhandeln, weil sie mit 44 von 88 Sitzen im Landtag über keine eigene Mehrheit verfügt.
40 Prozent Mitgliederzuwachs seit Jahresbeginn
Schaft hatte auf dem Parteitag auf einen starken Mitgliederzuwachs verwiesen. „Wir haben seit Jahresbeginn 1.200 neue Mitglieder aufgenommen.“ Das sei ein Zuwachs von 40 Prozent innerhalb weniger Monate. Das Comeback der Partei, die viele Jahre unter einem Mitgliederschwund litt, und ihr Erfolg bei der Bundestagswahl dürften aber kein Strohfeuer werden, mahnte er. Die Linke habe sich verändert, weitere Veränderungen und neue Strukturen müssten folgen. Auf dem Parteitag dominierten junge Mitglieder, die sich kritisch in einer Reihe von politischen Fragen auch zu Positionen des Vorstandes äußerten. Schaft und Grosse-Röthig nannten als Kern der Partei das Eintreten für soziale Gerechtigkeit.
Nach der Landtagswahl mit einem schwachen Ergebnis von 13,1 Prozent und dem Verlust von 17 Sitzen im Thüringer Parlament musste die Linke nach zehn Jahren in der Regierung auf die Oppositionsbank wechseln. Die Linke hat in Thüringen nach eigenen Angaben derzeit rund 4.200 Mitglieder.