16. Juni 2025
International: Schicksalsgipfel für G7? Das Wichtigste zum Kanada-Treffen
Die G7-Gruppe versteht sich als Wertegemeinschaft westlicher Demokratien. Aber nun ist Trump zurück, und um die gemeinsamen Werte ist es nicht mehr gut bestellt. Das Konfliktpotenzial ist groß.

Die G7-Gruppe versteht sich als Wertegemeinschaft westlicher Demokratien. Aber nun ist Trump zurück, und um die gemeinsamen Werte ist es nicht mehr gut bestellt. Das Konfliktpotenzial ist groß.

Überschattet von einem neuen Krieg beginnt in Kanada der erste Gipfel der G7-Gruppe seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus. Als letzter der G7-Chefs landete der US-Präsident am Sonntagabend (Ortszeit) in Calgary. Heute soll er bei der ersten Arbeitssitzung am Tagungsort in Kananaskis in den Rocky Mountains einen Vortrag zur Weltwirtschaftspolitik halten. 

Ziel solcher Gipfeltreffen ist eigentlich, eine einheitliche politische Linie unter den Teilnehmern zu finden. Doch ist das möglich in dieser Situation? Die Ungewissheit und das Konfliktpotenzial beim diesjährigen Treffen führender demokratischer Wirtschaftsmächte sind groß – vor allem mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die neue Eskalation im Nahen Osten. 

Je weiter die G7-Staaten bei den großen Konflikten auseinanderdriften, desto größer ist die Gefahr, dass die Runde ihre politische Bedeutung verlieren könnte. US-Präsident Trump hat einen Hang zu Alleingängen und unerwarteten Vorstößen. Das erschwert die Beratungen beim G7-Gipfel. 

Schon vorab wurden die Erwartungen heruntergeschraubt, eine gemeinsame Abschlusserklärung soll es nicht geben. Doch über wichtige Themen wollen Trump, Bundeskanzler Friedrich Merz, für den es die erste große internationale Bewährungsprobe werden dürfte, und Co trotzdem sprechen. Bei diesen Aspekten dürfte es besonders spannend werden: 

Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran

Die neue Eskalation im Nahen Osten bereitet auch den G7-Chefs große Sorgen. Viele Gespräche dürften sich um die Frage drehen, wie noch Schlimmeres verhindert und der Weg zurück zu Gesprächen eingeschlagen werden kann. Trump sagte kurz vor seinem Abflug nach Kanada, es sei Zeit, dass sich beide Seiten verständigten. Es gebe gute Chancen darauf. Gleichzeitig sagte er mit Blick auf Israel und den Iran: „Manchmal müssen sie es ausfechten.“ 

Und die EU? In einer am Wochenende veröffentlichen Erklärung der Mitgliedstaaten heißt es zwar, dass es dem Iran niemals gestattet werden dürfe, eine Atomwaffe zu erlangen. Zugleich wird deutlich gemacht, dass dauerhafte Sicherheit aus EU-Sicht nur durch Diplomatie und nicht durch militärisches Handeln erreicht werden kann. Ob sich die G7-Partner auf einen gemeinsamen Kurs oder sogar eine gemeinsame diplomatische Initiative einigen können, ist fraglich. 

Der Krieg in der Ukraine

Die G7-Partner waren sich bislang einig, dass Russland nur durch eine entschlossene und starke Unterstützung der Ukraine zur Aufgabe seines Angriffskriegs bewegt werden kann. Dass die USA seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus nicht mehr klar diese Linie verfolgen, sorgt bei den anderen Teilnehmern der Gruppe seit Monaten für große Besorgnis. Beim Gipfel wollen die Europäer nun versuchen, ihn wieder auf Linie zu bringen.

Es gehe nun darum, den von Trump angestoßenen Verhandlungsprozess über einen Waffenstillstand voranzubringen, sagte Merz vor seinem Abflug nach Kanada. „Dazu hat die Ukraine mit unserer Unterstützung Vorschläge entwickelt, während Russland weiter auf Zeit spielt und brutal Krieg führt.“ Um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen, brauche es zusätzlichen Druck – über Sanktionen. Die erhoffen sich die Europäer auch von Trump. 

Am Dienstag wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Gast bei dem Gipfel erwartet, es soll auch ein Treffen nur mit ihm und Trump geben. Er forderte die G7-Runde vorab bereits auf, den Druck auf Russland zu erhöhen.

Streit um Zölle, Einigkeit bei begehrten Rohstoffe

Ziemlich haklig dürften beim Gipfel auch die Gespräche über die Wirtschaftspolitik werden. Mit seinen Zollentscheidungen verstößt US-Präsident Trump nach Auffassung der anderen G7-Staaten klar gegen die von der Gruppe propagierten Prinzipien einer offenen, liberalen und regelbasierten Wirtschaftsordnung. Die große Frage ist, wie das thematisiert wird, ohne großen Streit und ein Scheitern des Gipfels zu provozieren.

Denkbar ist, dass sich die Gruppe in den Arbeitssitzungen deswegen auf Themen konzentriert, bei denen es noch gemeinsame Interessen gibt. So wollen die Mitgliedstaaten beispielsweise alle unabhängiger von Rohstoffen aus Staaten wie China werden – vor allem, wenn es um Stoffe wie Erze der seltenen Erden geht, die etwa für Energiesparanwendungen oder moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wichtig sind.

Was auf der Strecke bleibt

Der G7 führender demokratischer Industrienationen gehören neben Gastgeber Kanada, den USA und Deutschland auch Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und die Europäischen Union an. Die Gruppe verstand sich viele Jahre auch als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel und die Armut auf der Welt. 

Wegen Trumps Desinteresse an diesen Themen könnte die Runde in diesen Bereichen in den kommenden Jahren allerdings bedeutungslos werden. So befürchtet die Organisation Oxfam, dass die Entwicklungshilfeausgaben der G7 für das Jahr 2026 im Vergleich zu 2024 um 28 Prozent sinken könnten.

Vor dem Hintergrund der Politik von Trump wird in diesem Jahr auch auf eine umfassende gemeinsame Abschlusserklärung verzichtet. Um die G7 nicht vollkommen handlungsunfähig erscheinen zu lassen, will Gastgeber Kanada allerdings mehrere kleinere Statements zu unstrittigen Themen verabschieden lassen. Eines davon soll sich etwa dem Kampf gegen Waldbrände widmen. Diese sind auch für Trump ein wichtiges Thema – auch wenn er wiederholt anzweifelte, dass sie durch den Klimawandel befördert werden.

Partnerprogramm mit Gondel und Schokolade

Mit dabei in Kananaskis ist auch Merz‘ Frau Charlotte. Das ist eine Besonderheit bei den G7-Gipfeln, es gibt in aller Regel ein Programm für die Partnerinnen und Partner. Auch Kanadas Regierungschef und Gastgeber Mark Carney kam in Begleitung seiner Frau Diana Fox an. Charlotte Merz und die anderen Begleitungen werden dann unter anderem mit einer Gondel zum Gipfel des Sulphur Mountain fahren und die Schokolade eines örtlichem Chocolatiers verkosten, wie eine Sprecherin der Bundesregierung mitteilte.