19. Juni 2025
Uraufführung: Wild, derb, philosophisch - Der "Brandner Kaspar" von Kroetz
Darf man sich an ein bayerisches Kultstück wagen? Franz Xaver Kroetz hat es getan und "Gschichtn vom Brandner Kaspar" neu für das Münchner Residenztheater geschrieben. So war die Uraufführung.

Darf man sich an ein bayerisches Kultstück wagen? Franz Xaver Kroetz hat es getan und „Gschichtn vom Brandner Kaspar“ neu für das Münchner Residenztheater geschrieben. So war die Uraufführung.

Die Geschichte vom Brandner Kaspar ist in Bayern das Kult-Theaterstück schlechthin. Weil der Bauer mit 75 noch nicht sterben will, füllt er den Tod mit „Kerschgeist“ ab und ergaunert sich beim Kartenspiel weitere Lebensjahre. Nun hat Franz Xaver Kroetz im Auftrag des Residenztheaters in München eine Neufassung geschrieben – und dem legendären Stoff alle Ehre erwiesen. Bei der Uraufführung beeindruckte das Stück mit wunderbaren Dialogen, einer hervorragenden Inszenierung und einem großartigen Ensemble rund um Günther Maria Halmer und Florian von Manteuffel.

Kraftvolles Stück mit Humor und Philosophie

„Gschichtn vom Brandner Kaspar“ beruht auf Motiven der Mundarterzählung von Franz von Kobell aus dem Jahr 1871 und ist auch auf bairisch geschrieben. Volkstümelei oder Bayern-Kitsch sucht man hier vergebens, dafür Respekt vor dem kraftvollen Dialekt. 

Kroetz hat ein urtümliches, packendes, amüsantes und bisweilen derbes Stück geschrieben mit feinsinnigem Humor, Wehmut und allerlei Philosphischem. Es geht um das irdische Dasein, die Beschwerden des Alters von schmerzenden Knien bis zu Problemen beim Wasserlassen. Und über das Sterben mit all den Schrecken, aber auch der Unausweichlichkeit. „Wo nix gehd, ko nix kemma“, wo nichts geht, kann nichts Neues kommen, stellt der Tod in Gestalt des Boanlkramer nüchtern fest. 

Welt und Himmel im bayerischen Bauernschrank

50 Jahre nach der legendären Inszenierung von Kurt Wilhelm am Bayerischen Staatsschauspiel mit Theatergrößen wie Toni Berger, Fritz Straßner, Erni Singerl und Gustl Bayrhammer ist nun Philipp Stölzl am Zug. Er inszeniert mit Fantasie, Verspieltheit und großer Freude. Ein überdimensionaler Bauernschrank wird zum Schaukasten, dessen bunt bemalte Türen sich öffnen und schließen. Dahinter ist mal der Hof des Brandner, mal ein Berggipfel oder das Paradies, in dem Petrus regiert und die Engel Hosianna singen. Drei Frauen mit Kontrabass, Akkordeon und Gitarre umrahmen das Geschehen mit Musik und Gesang. 

Bühnenbild, Dialoge, Regie, Musik und Schauspiel – alles greift aufs Schönste ineinander und vereint sich zu einem Theaterabend, der stimmiger kaum sein könnte. Halmer beeindruckt als Brandner Kaspar. Er zeigt diesen kurzatmigen, schnapsverliebten 75-Jährigen mal polternd und grantelnd, mal wehmütig und weich, vor allem wenn seine Enkelin Josefa (Elisabeth Nittka) dabei ist. 

Paradies? „Nix für mi“

Und dann ist da noch Florian von Manteuffel, der als Boanlkramer brilliert. Er spielt ihn als schmierigen, gerissenen und wehleidigen Gesellen, der wenig Lust hat, sich anzustrengen. Von Manteuffels Tod verzweifelt an Brandners Starrsinn, kuscht vor Petrus oder torkelt „Kerschgeist“-selig über die Bühne. Am Ende darf er die Himmelspforte wieder schließen – zum Glück. Denn eines stellt der Boanlkramer klar: „Jeden Tag Paradies, des is nix für mi“.

Residenztheater: Brandner Kasper