26. Juni 2025
Millionen verzockt: Das steht im geheimen Northvolt-Gutachten
Während für den insolventen Batteriehersteller Northvolt Hoffnung aufkeimt, wird das zentrale Gutachten zur Förderung der Firma in Deutschland öffentlich. Das steht drin.

Während für den insolventen Batteriehersteller Northvolt Hoffnung aufkeimt, wird das zentrale Gutachten zur Förderung der Firma in Deutschland öffentlich. Das steht drin.

Gibt es Hoffnung für den insolventen Batteriehersteller Northvolt. „Wir haben jetzt ein unverbindliches Angebot auf dem Tisch und hoffen auf weitere unverbindliche Angebote“, sagte Mikael Kubu, Insolvenzverwalter des schwedischen Batterieherstellers Northvolt dem „Schwedischen Radio“ am Dienstag. Ein ausländischer Investor wolle die gesamte Konkursmasse kaufen, insgesamt gebe es bis zu drei Interessenten. Eine gute Nachricht, nicht nur für die restlichen Angestellten in Schweden. Auch in Deutschland hofft man darauf, dass jemand das Northvolt-Gelände in Schleswig-Holstein übernimmt und dort den Traum von einer Batteriefabrik wahr macht.

In Berlin dürfte diese Nachricht nur am Rande interessieren. Denn dort geht es am Mittwoch mehr um die Vergangenheit des Unternehmens. Unter Tagesordnungspunkt 24 des Haushaltsausschusses befassen sich die Abgeordneten mit den vielen Millionen Steuergeld, die für Northvolt geflossen sind – und der Frage, wann Probleme des Unternehmens bekannt waren. Das zentrale Gutachten dazu ist nun öffentlich, zuvor hatte das Portal „Politico“ über das Papier berichtet. 

PwC sollte Northvolt prüfen

Für die Fabrik hatten Bund und Land viel Geld in die Hand genommen: 700 Mio. Euro an direkter Förderung und 600 Mio. Euro in einer sogenannten Wandelanleihe. Northvolt war ein schwedisches Start-up, das Batteriezellen für Elektroautos herstellen wollte. Eigentlich hatte das Unternehmen vor, eine sogenannte Gigafactory in Heide zu bauen. Doch trotz enormer Finanzierung geriet Northvolt in Schwierigkeiten und musste im März 2025 Insolvenz anmelden. Die 600 Mio. Euro könnten weg sein, die 700 Mio. Euro wurden noch nicht ausbezahlt.

Um ein solches Szenario zu vermeiden, hatte der Bund die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC beauftragt. Diese sollte die Wirtschaftlichkeit von Northvolt und die Sicherheit der 600 Mio. Euro Wandelanleihe zu prüfen. Das Gutachten, das der Förderentscheidung zugrunde lag, wurde allerdings als vertraulich eingestuft und war damit selbst Abgeordneten schwer zugänglich. 

Nun hat es Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) freigegeben. In vielen Dingen erweckt die Bewertung von PwC darin einen positiven Eindruck. Das Portfolio von Northvolt sei technisch wettbewerbsfähig, das Unternehmen habe „bereits bewiesen, dass es eine Projektfinanzierung strukturieren und umsetzen kann“. Zwei Szenarien des Unternehmensplans werden analysiert: ein konservatives ohne Börsengang und ein ambitioniertes mit Börsengang. Die Wahrscheinlichkeit, dass Northvolt die vollständigen 600 Mio. Euro zurückzahlen könne, taxierte PwC auf 86 Prozent. Für einen vollständigen Verlust habe die Wahrscheinlichkeit bei unter 1 Prozent gelegen. 

Vor allem aus der Union wurde der ehemalige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, das Geld an Northvolt leichtfertig vergeben zu haben. Reiche sagte über ihren Vorgänger am Mittwoch im Bundestag, die Investitionsentscheidung habe sich als „fehlerhaft“ erwiesen.

„Keine relevanten finanziellen Reserven“

Tatsächlich gab es einige Warnsignale – auch im Gutachten selbst. Denn die Analyse basiert vor allem auf Informationen von Northvolt selbst. Eine Unternehmensplanung in Excel habe PwC gehabt, einige Präsentationen und Gutachten sowie die letzten Jahresabschlüsse. Außerdem besprach man sich in sieben Telefonkonferenzen. Allerdings fehlten wohl einige Informationen. „Da uns keine gebündelten Hintergrundinformationen zu der Unternehmensplanung vorlagen, war es uns nicht möglich, die Positionen der Ergebnisrechnung im Detail zu plausibilisieren“, heißt es zum Beispiel bei der Bewertung des konservativen Unternehmensplans. Die Rechnung selbst ist – so wie einige der relevanten Zahlen – vom Ministerium geschwärzt worden. Northvolt habe mitgeteilt, die eigenen Batterien nicht mit denen der Konkurrenz abzugleichen – laut PwC „zumindest unüblich“.

Auch im ambitionierten Börsengangszenario teilt PwC mit, von Northvolt keine gebündelten „Informationen zu den hinter der Unternehmensplanung stehenden einzelnen Annahmen“ bekommen zu haben. Später heißt es, die Unternehmensplanung von Northvolt verfüge über „keine vollständige Kapitalflussrechnung“. „Informationen zur geplanten Finanzierung liegen nur rudimentär vor und Informationen zum Schuldendienst fehlen vollständig.“ Um trotzdem zu einem Ergebnis zu kommen, habe PwC diverse vereinfachende Annahmen getroffen – allerdings ist fraglich, wie belastbar dieses Ergebnis dann noch war. 

Insbesondere, da PwC die Expansionsstrategie als „ambitioniert“ einschätzte. Northvolt wollte damals in drei bis vier Jahren zu den zehn größten Batteriezellanbietern weltweit gehören. Gleichzeitig war es auf jede Menge Geld von außerhalb angewiesen: „Aufgrund des Start-up-Charakters verfügt NV AB (Northvolt – Anm. d. Red.) noch über keine relevanten finanziellen Reserven“, schreibt PwC. „Daraus resultiert eine hohe Abhängigkeit von externem Kapital.“ 

Ein Vorteil seien „Take or Pay“-Verträge von Northvolt mit seinen Kunden gewesen – dabei verpflichteten sich die Kunden, vereinbarte Batteriemengen auch zu abzunehmen. Das sorgte für eine gewisse Sicherheit, allerdings gab es ein Problem: Die Kunden hatten ein Kündigungsrecht, „falls Northvolt nicht nachweisen kann, dass die Batteriezellen wettbewerbsfähig sind und bestimmte Merkmale aufweisen“. Ein solcher Fall trat später ein: Im Sommer 2024 stornierte BMW eine 2-Mrd.-Euro-Bestellung.

Kritik des Bundesrechnungshofs

Schon als das Gutachten im Entwurf vorlag, sorgten viele dieser Punkte für Probleme. „Es war erschreckend, viele Unterlagen waren nicht eingereicht von NV, viele Finanzierungsparameter wurden nicht von NV zur Verfügung gestellt“, sagte ein Ministeriumsmitarbeiter in Schleswig-Holstein im Mai 2023. In der vergangenen Woche wurde ein Bericht des Bundesrechnungshofs bekannt. Laut der Behörde soll das Bundeswirtschaftsministerium die Risiken „systematisch unterschätzt“ und „weitgehend nach dem Prinzip Hoffnung agiert“ haben. Das PwC-Gutachten sei vom Ministerium nicht kritisch geprüft worden. 

Mit dem nun öffentlichen Gutachten konnten die Abgeordneten im Haushaltsausschuss am Mittwoch größtenteils offen reden – tagten aber nicht öffentlich. Neben Ministerin Reiche war auch ihr Vorgänger Robert Habeck geladen, laut Nachrichtenagentur dpa kam er aber nicht. 

Währenddessen kämpft der schwedische Insolvenzverwalter Mikael Kubu gegen die Zeit. Denn Ende Juni soll die Produktion im schwedischen Stammwerk eingestellt werden und immer weniger Mitarbeiter stünden zur Verfügung. „Ein Käufer möchte natürlich nicht nur Maschinen kaufen, sondern benötigt auch die entsprechenden Fähigkeiten“, sagte Kubu dem schwedischen Radio. In Deutschland wird offiziell weiter gebaut. Wer das Übernahmeangebot vorgelegt hat, ist unbekannt.