30. Juni 2025
1,5-Grad-Ziel adé?: Deutschland hat sich bereits um 2,5 Grad erwärmt – und nun?
In Deutschland ist es deutlich heißer, als lange angenommen. Was bedeutet das für das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimagipfels? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?

In Deutschland ist es deutlich heißer, als lange angenommen. Was bedeutet das für das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimagipfels? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Die Hitzewelle, die Deutschland gerade erlebt, ist heftig, aber nicht überraschend. Dass Wetterextreme auch in der Bundrepublik häufiger auftreten werden, ist längst klar. Vom 1,5-Grad-Ziel, auf das sich die Staatengemeinschaft 2016 beim UN-Klimagipfel in Paris geeinigt hat, kann sich Deutschland aber schon einmal verabschieden. Denn verglichen mit der vorindustriellen Zeit hat sich das Land berets um 2,5 Grad erwärmt, heißt es beim Deutschen Wetterdienst (DWD).

Was bedeutet die Erwärmung für Deutschland?

Zunächst einmal: Das ist sehr viel. Tatsächlich ging der DWD zuvor von 1,9 Grad mehr seit 1881 aus. Doch die Berechnungsweise, die zu dieser Zahl führte, sei von der Realität überholt.

Laut Umweltbundesamt und Deutschem Wetterdienst führt die Erwärmung unter anderem zu häufigeren Hitzewellen und Dürrephasen, was die Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung gefährdet und die Waldbrandgefahr steigen lässt. In Deutschland gab es schon in den vergangenen Jahren viele Tausend Hitzetote – auch wegen der vergleichsweise alten Bevölkerung. Mehr Schäden durch stärkere Unwetter kommen hinzu.

Wie wird der Temperaturanstieg nun berechnet?

Die Erderwärmung bezieht sich auf die mittlere jährliche Lufttemperatur in zwei Metern Höhe über dem Boden. Bislang zog der Deutsche Wetterdienst durch die Durchschnittstemperaturen vergangener Jahrzehnte eine Gerade, die den durchschnittlichen Anstieg der Temperatur über den gesamten Zeitraum zeigte. 

Aber: „Das Klimasystem ist eben nicht linear“, erklärte der DWD-Klimatologe Andreas Walter. In den letzten Jahren habe man einen überproportional starken Anstieg der Temperatur beobachtet. „Insofern ist diese alte Methode nicht mehr geeignet, den Temperaturanstieg hinreichend genau zu beschreiben.“ Es könne beschleunigte Entwicklungen nicht zeigen.

Beim sogenannten Loess-Verfahren, für das sich der DWD entschieden hat, werden für jeden Punkt die Nachbarn in der Nähe betrachtet. Die Nachbarpunkte bekommen für die Kurve umso mehr Gewicht, je näher sie am betrachteten Punkt liegen. So lassen sich mit den jährlichen Mitteltemperaturen auch kurzfristige Schwankungen wie Phasen der Abkühlung oder eine beschleunigte Erwärmung abbilden.

Ergebnis ist eine realistischere Einschätzung des tatsächlichen Temperaturanstiegs. Auch künftige Veränderungen wie eine mögliche Verlangsamung der Erwärmung durch Klimaschutzmaßnahmen lassen sich so schneller erkennen. An der Datengrundlage hat sich mit der Umstellung nichts verändert.

Die Weltwetterorganisation (WMO) verlässt sich neben eigenen Daten auf die Daten nationaler Wetterdienste – dadurch sind internationale Berechnungen bislang ein Mix aus alter und neuer Rechenweise. In Österreich, den Niederlanden und der Schweiz wird von den Wetterdiensten zum Beispiel ebenfalls das Loess-Verfahren angewendet.

Und was ist jetzt mit den 1,5 Grad? 

Die internationale Gemeinschaft will die Erderwärmung bei 1,5 Grad stoppen, um die schlimmsten Klimafolgen zu begrenzen. Das Jahr 2024 hat die Grenze bereits gerissen. Als verfehlt gilt das Ziel offiziell erst nach einer mehrjährigen Überschreitung. Um die Erderwärmung noch unter 1,5 Grad halten zu können, müsste der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase aber sehr schnell und sehr stark sinken. Zusätzlich müssten große Mengen Treibhausgase der Atmosphäre wieder entzogen werden.