
Laut der sogenannten Dublin-Regel ist das EU-Land für Asylverfahren zuständig, in das Flüchtlinge zuerst kommen. Hamburg will Afghanen deshalb nach Schweden abschieben. Doch Berlin stellt sich quer.
In ungewöhnlich scharfen Worten hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) seinem Berliner Amtskollegen Kai Wegner (CDU) vorgeworfen, die Ausweisung mehrerer Afghanen aus einem Berliner Kirchenasyl verhindert zu haben. In dem Brief Tschentschers an Wegner, über den die „Berliner Zeitung“ berichtete, geht es um sogenannte Dublin-Fälle. Die Afghanen sollten von Hamburg nach Schweden abgeschoben werden.
Hamburgs Senatssprecher Christopher Harms bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass Tschentscher ein entsprechendes Schreiben an Wegner geschickt hat. „Anlass ist die rechtlich vorgeschriebene Rücküberstellung von Personen, die sich nach den in Hamburg vorliegenden Informationen zum entsprechenden Zeitpunkt in einer Berliner Kirchengemeinde aufgehalten haben und deren Kirchenasyl nach Prüfung durch das BAMF abgelehnt wurde“, sagte er. BAMF steht für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Senatssprecher: Hamburgs Bitte um Amtshilfe wurde abgelehnt
Zur Durchsetzung der Überstellung lägen auch jeweils gerichtliche Beschlüsse vor. Die zuständigen Behörden in beiden Städten hätten dazu im Austausch gestanden, sagte Harms. „Hamburg hat um Amtshilfe bei der Durchführung gebeten, diese jedoch nicht erhalten.“ Daraufhin habe der Erste Bürgermeister den Regierenden Bürgermeister um Unterstützung gebeten, „in diesem Sinne tätig zu werden“.
Laut „Berliner Zeitung“ sind die Afghanen in der evangelischen Dreinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz untergebracht. Gegenüber dem Blatt sprach Pfarrer Gottfried Martens von „drei Personen in unserem Kirchenasyl, für die die Hamburger Ausländerbehörde zuständig ist“. Als überzeugte konvertierte Christen drohe ihnen bei einer Abschiebung nach Afghanistan „unmittelbare Gefahr an Leib und Leben“, wird er in der Zeitung zitiert.
Nach Angaben des Hamburger Senats geht es aber nicht um eine Rückführung in das Heimatland der Afghanen, sondern in das für ihre Asylverfahren zuständige EU-Land Schweden.
Tschentscher schreibt von Missbrauch des Kirchenasyls
In seinem Brief schreibt Tschentscher der „Berliner Zeitung“ zufolge, dass der Rechtsstaat auf vielfältige Weise angegriffen werde. So komme es etwa „zu einem systematischen Missbrauch des Kirchenasyls, indem Flüchtlinge in Kirchenräume aufgenommen werden, deren Bleiberecht nach den Regeln des Kirchenasyls bereits überprüft und deren Rückkehrpflicht in einen anderen EU-Mitgliedsstaat rechtskräftig festgestellt wurde“.
Das Zusammenwirken von Kirchengemeinden und Berliner Polizei verhindere im Fall der Afghanen Tschentscher zufolge den Vollzug von Recht und Gesetz. Und: „Die Missachtung gerichtlicher Beschlüsse durch staatliche Stellen ist ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat“, zitiert die Zeitung aus dem ihr nach eigenen Angaben vorliegenden Brief.
Da die Berliner Behörden ihr Verhalten mit einer „politischen Weisungslage“ begründet hätten, habe der Hamburger Bürgermeister seinen Berliner Kollegen darum gebeten, diese Weisungslage zu beenden.
Hamburg hat bereits aus Kirchenasyl abgeschoben
Im September vergangenen Jahres war in der Hansestadt bereits ein Afghane aus einem Kirchenasyl nach Schweden abgeschoben worden. Da er kurze Zeit später wieder in Hamburg aufgetaucht war, musste er abermals in das skandinavische Land überstellt werden.