
Wie ist die Lage der Justiz in Schleswig-Holstein? Nicht optimal, sagen Regierung und Fraktionen. Was getan werden muss, darüber gehen die Ansichten auseinander.
Über fehlendes Personal bei Staatsanwaltschaften und Gerichten in Schleswig-Holstein haben Regierung und Landtagsfraktionen in den vergangenen Tagen bereits ausführlich gestritten. Im Landtag entschieden die Fraktionen jetzt einstimmig, die Diskussion über Antworten auf eine große Anfrage der FDP-Fraktion im Innen- und Rechtsausschuss weiterzuführen.
In der Debatte beklagte die Opposition erneut Personalmangel in der Justiz und forderte eine Abkehr von der geplanten Amtsgerichtsreform. Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) betont dagegen die Fortschritte bei der Personalgewinnung und der Einführung der elektronischen Akte.
Ministerin verweist auf immer komplexere Verfahren
Die Ministerin verwies auf einen starken Anstieg der Eingänge bei den Staatsanwaltschaften. 2021 seien es noch knapp 169.000 Fälle gewesen, 2024 sei die Zahl auf rund 193.000 Verfahren gestiegen. Allein die mit der Cannabis-Legalisierung verbundene Amnestieregelung und die damit erforderliche Überprüfung aller einschlägigen Verurteilungen habe im Jahr 2024 zu einer erheblichen Mehrbelastung geführt. „Allgemein jedoch werden Ermittlungsverfahren immer komplexer“, sagte die Ministerin.
Von der Decken betonte, in dieser Legislatur seien bereits 42 Stellen für Staatsanwälte geschaffen worden – ein Zuwachs von 16,4 Prozent. Zum 1. Juli 2025 habe das neue Referat Nachwuchsgewinnung am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht seine Arbeit aufgenommen.
Seit 2020 verfügten alle Gerichte über die technische Ausstattung für Videoverhandlungen. Bis zum Jahresende werde die elektronische Verfahrensakte in allen Bereichen eingeführt sein. „Sie ist die Basis für die weitere Digitalisierung der Justiz“, sagte die Ministerin.
Der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz bezeichnete die Lage der Justiz als schwierig. In einigen Bereichen sei sie kritisch und im Bereich der Staatsanwaltschaften katastrophal. Es gebe fast 34.000 unerledigte Fälle. „Wir sind hier an einer Stelle, wo es darum geht, dass der Rechtsstaat auch durchgesetzt wird.“
Buchholz: Anstrengungen zur Personalgewinnung erhöhen
Die Verfahrensdauer an den Verwaltungsgerichten habe sich verlängert. Das habe viel mit Asylverfahren zu tun, aber auch mit Bauverfahren. Das sei kritisch für die Wirtschaft, sagte Buchholz. Der Ministerin hielt er vor, ein Referat Personalgewinnung mit einer halben Personalstelle sei zu wenig. Die Zahl der Bewerbungen im höheren Dienst des Landes hat sich nach seinen Angaben in den vergangenen zehn Jahren halbiert.
Die Performance der E-Akte nannte Buchholz in einigen Bereichen eine Katastrophe. Zur beabsichtigten Amtsgerichtsstrukturreform mit weniger Standorten sagte er, sie führe zur Verunsicherung, das Einsparpotenzial sei gering. „Lassen Sie die Finger davon. Sie bringt uns nicht voran, sondern sie schafft zusätzliche Probleme im Land“, sagte er in Richtung von der Decken.
CDU-Fraktion: Fachkräftemangel auch in der Justiz
Für die CDU-Fraktion lobte Marion Schiefer das umfassende Bild, das die Antwort auf die große Anfrage biete. Die Justiz habe eine hohe Leistungsfähigkeit, lobte sie. Um einige Punkte müsse man sich kümmern, die Belastung in einigen Bereichen sei hoch. Es gebe viele komplexe Verfahren und der Fachkräftemangel treffe auch die Justiz.
Jan Kürschner (Grüne) nannte die zunehmende Zahl von Sicherungsverfahren als einen Grund für die steigende Belastung. Diese Verfahren seien langwierig und ein Indikator für den Anstieg psychischer Erkrankungen und mangelnder Versorgungsstrukturen. Zu lange Verfahrensdauern untergraben nach Kürschners Überzeugung das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz.
SPD-Fraktion fordert Aktionsplan
Der SPD-Abgeordnete Marc Timmer wiederholte seine Forderung nach Flaschenhalsanalyse und einem Aktionsplan für die Strafjustiz. Viele Richter und Staatsanwälte würden in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Weitere Stellen sollen zwar geschaffen werden, seien aber vom Haushalt abhängig. „Dies verheißt nichts Gutes.“ Die Einführung der elektronischen Akte nannte er eine große Baustelle, die die Landesregierung zügig in den Griff bekommen müsse.
Sybilla Nitsch vom SSW nannte die Zahl der Altverfahren inakzeptabel. Das Land solle verstärkt Personal selbst ausbilden. Die E-Akte müsse verbessert werden.