
Sulaiman A. soll 2024 sechs Menschen auf dem Mannheimer Marktplatz mit einem Messer verletzt haben – ein Polizist starb kurz danach. Nun gab die Ehefrau Einblicke in seine Gedankenwelt.
Die Ehefrau bricht immer wieder in Tränen aus während ihrer Aussage. Mit einem Taschentuch tupft sich die 24-Jährige – mit Blazer, Brille und beigefarbenem Kopftuch – das Gesicht trocken. Ihr Ehemann, Sulaiman A., habe sich in den Monaten vor dem tödlichen Messerangriff am Mannheimer Marktplatz verändert. Dies habe sie nach der Geburt des Sohnes bemerkt, der rund vier Monate vor der Tat herzkrank auf die Welt gekommen sei, sagt die junge Frau vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.
„Die Veränderung habe ich schon mitbekommen, dass er sich öfter zurückgezogen hat, dass er sich irgendwie anders verhalten hat.“ Er habe noch mehr über Kopfschmerzen geklagt. „Ich habe gesehen, dass er weint. Das war ‚was Neues für mich.“
Sulaiman A. ist unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hat der mittlerweile 26-jährige Angeklagte am 31. Mai 2024 bei dem Angriff in Mannheim sechs Menschen mit einem Messer verletzt: fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie den 29-jährigen Polizist Rouven Laur. Der Beamte starb zwei Tage später an seinen schweren Verletzungen.
Ehefrau lächelt Angeklagtem leicht zu
„Es ist sehr emotional für mich, da muss ich mich jetzt schon entschuldigen“, sagt die 24-Jährige zu Beginn ihrer Aussage. Ab und zu schaut sie zu ihrem Mann, der durch eine Glasscheibe von ihr abgetrennt sitzt, und lächelt ihm leicht zu. Sie spricht aber auch über die Wut, die sie auf ihn empfindet. „Ich kann auch nicht sagen, dass der Zorn vorbei ist – auch die Verzweiflung, ich habe das ja alles nicht verstanden.“ Sie betont in ihrer Aussage, sie habe nichts von der Tat im Vorfeld gewusst.
Der Angeklagte hatte mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern bis zur Tat im hessischen Heppenheim gelebt – rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Afghanen eine lebenslange Haftstrafe.
Ehemann habe sich verändert, über fehlende Motivation geklagt
Wie die Ehefrau erzählte, hat ihr Mann bereits in den Monaten vor der Geburt des Sohnes über verstärkte Kopfschmerzen geklagt. Er könne sich in der Abendrealschule nicht mehr konzentrieren, ihm fehle die Motivation, habe er gesagt. Er habe sich Videos über Angriffe im Gaza-Krieg angesehen, die ihn belastet hätten. „Das hat ihn sehr mitgenommen.“
Sulaiman A. und seine heutige Frau hatten sich nach ihren Angaben während der Schulzeit kennengelernt. Sie hat türkische Wurzeln, ist aber in Deutschland aufgewachsen. Er kam als Flüchtling aus Afghanistan. Ihr Deutsch ist fließend mit Akzent. Als sie 18 Jahre alt ist, heiratet sie Sulaiman A.. Direkt nach ihrem Abitur kommt die gemeinsame Tochter auf die Welt. Die 24-Jährige studiert mittlerweile Bildungswissenschaften im Fernstudium, wie sie selbst sagt.
Sie beschreibt ihren Mann als einen, der interessiert am Kontakt mit anderen Menschen gewesen sei. „Er war wirklich immer ein höflicher Mensch“, sagt sie. Er sei ein netter Junge gewesen, als sie ihn kennengelernt habe – einer, dem man habe vertrauen könne.
Ehefrau: Ich habe den ganzen Hass abbekommen
Nach der Tat ihres Mannes wurde sie nach eigenen Angaben bedroht. Erst kürzlich habe sie mal wieder in ihrer eigenen Wohnung übernachtet. „Die ersten Tage habe ich den ganzen Hass, die ganze Hetze, die Morddrohungen abbekommen, das hat mich so verängstigt“, sagt sie. Sie habe sich nicht mehr aus dem Haus getraut, habe Angst um sich und die Kinder gehabt. Nur unter Begleitung der Polizei habe sie sich in ihre alte Wohnung getraut, um Sachen zu holen. „Ohne die hätte ich keinen einzigen Fuß vor die Tür gesetzt.“
Das Verfahren wird wohl schneller enden als geplant. Die Beweisaufnahme des Senats könne unter Umständen Ende kommender Woche abgeschlossen werden, sagte ein Sprecher des Oberlandesgerichts Stuttgart. Kommende Woche solle noch der psychiatrische Sachverständige aussagen. Anwälten zufolge könnte ein Urteil dann nach der Sommerpause am 15. September verkündet werden. Dazu wollten sich das Gericht und die Bundesanwaltschaft jedoch nicht äußern. Der Prozess begann im Februar.
Sie spricht Familie von Rouven Laur ihr Beileid aus
Zu Beginn ihrer Aussage wendet sich die Ehefrau an die Angehörigen des getöteten Polizisten: „Ich möchte als allererstes mein tiefstes Beileid an die Eltern und Schwestern von Herrn Laur und auch an alle Angehörigen aussprechen.“ Auch von den Verletzten sprach sie. Es täte ihr sehr leid.
Der Bundesanwalt geht davon aus, dass Sulaiman A. Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat hegt. Dies hat der Angeklagte auch vor Gericht bestätigt. Laut Bundesanwalt sei er schließlich zur Überzeugung gelangt, dass es nicht nur legitim, sondern seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige zu töten.
Nebenklage will auch Sicherungsverwahrung
Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Angeklagten eine lebenslange Haftstrafe. Die Nebenklage will laut Anwalt Thomas Franz neben einer lebenslangen Haftstrafe die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld fordern. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen.
Zudem will die Nebenklage Sicherungsverwahrung beantragen, wie Franz sagte. Anders als die Haft ist die Sicherungsverwahrung keine Strafe. Sie dient dazu, die Allgemeinheit vor Straftätern zu schützen, die ihre Strafe bereits verbüßt haben, aber weiter als gefährlich gelten.