30. Juli 2025
Kommunaler Finanzreport: 3,75 Milliarden Euro - Nordwest-Kommunen mit Rekorddefizit
Niedersachsens Kommunen ächzen einer Analyse zufolge unter dem höchsten Defizit ihrer Geschichte. Was sind die Gründe?

Niedersachsens Kommunen ächzen einer Analyse zufolge unter dem höchsten Defizit ihrer Geschichte. Was sind die Gründe?

Niedersachsens Städte und Gemeinden haben 2024 ein Rekordminus verbucht. Mit 3,75 Milliarden Euro sei das Defizit so hoch wie noch nie in der Geschichte ausgefallen, teilte die Bertelsmann Stiftung auf Basis ihres Kommunalen Finanzreports mit. Gegenüber dem bisherigen Rekordminus 2023 von damals 1,4 Milliarden Euro habe sich der Fehlbetrag mehr als verdoppelt.

Grund für das Loch im Haushalt sind den Angaben zufolge vor allem steigende Ausgaben bei stagnierenden oder sogar sinkenden Einnahmen. Die Ausgaben der Kommunen seien binnen Jahresfrist um neun Prozent gewachsen, die Steuereinnahmen hätten aber angesichts der schwachen wirtschaftlichen Lage stagniert.

Allein die Ausgaben für Personal hätten sich binnen zehn Jahren nahezu verdoppelt, weil neue Mitarbeiter eingestellt worden und zudem die Tariflöhne gestiegen seien. Die Sozialausgaben seien binnen zwei Jahren um ein Viertel auf rund zehn Milliarden Euro gestiegen. Viele soziale Ausgaben seien zwar gesetzlich vorgeschrieben, aber nicht vom Bund gegenfinanziert, hieß es.

Autokrise lässt Gewerbesteuer wegbrechen

Bei den Einnahmen sei das Wachstum früherer Jahre dagegen zum Erliegen gekommen. Bei der wichtigen Gewerbesteuer gab es der Studie zufolge sogar einen Rückgang. „Niedersachsen ist mit der Automobilindustrie besonders anfällig für geopolitische Verwerfungen“, sagte Studienmitautor René Geißler von der Technischen Hochschule Wildau. 

Deutlich bemerkbar machte sich das am VW-Sitz Wolfsburg: Um 40 Prozent brachen die Gewerbesteuereinnahmen dort den Angaben zufolge ein. Dennoch gehöre die Stadt am Mittellandkanal weiterhin zu den bundesweiten Spitzenreitern bei den Steuereinnahmen, der Landkreis Lüchow-Dannenberg dagegen zu den Schlusslichtern in Westdeutschland.

Zweithöchstes Defizit bundesweit

Der Auswertung zufolge ist es bereits das fünfte Jahr in Folge, in dem Niedersachsens Kommunen mit roten Zahlen abschließen. Pro Einwohner lag das kommunale Defizit 2024 bei 468 Euro. Damit verbuchten die Städte und Gemeinden im Nordwesten das zweithöchste Defizit aller Flächenländer. Noch mehr war es nur in Hessen mit 499 Euro pro Einwohner. Die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin blieben in der Analyse außen vor, weil sie mit Flächenländern nicht vergleichbar sind.

Auch der Ausblick der Bertelsmann Stiftung fällt pessimistisch aus. Die strukturellen Probleme zum Beispiel bei den Sozialausgaben seien ungelöst und die Inflation habe die Ausgaben dauerhaft erhöht. „Das Defizit des Jahres 2024 markiert eine Zeitenwende, welche die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig infrage stellt“, sagte die Vorständin der Stiftung, Brigitte Mohn.