
Wenn Atommeiler abgeschaltet werden müssen, klingt das zunächst ziemlich ernst. In einem Fall in Frankreich war die Ursache aber ziemlich kurios.
Es klingt nach einem neuen Roman von Frank Schätzing: Ein Schwarm Quallen dringt in einen Schacht an einem Atomkraftwerk und legt den Betrieb lahm. Wäre diese Geschichte ein Thriller, dann hätten die Nesseltiere sämtliche Anlagen infiltriert und die Stromversorgung eines ganzen Landes, vielleicht sogar eines ganzen Kontinents gekappt. Ganz so dramatisch war die Lage in Frankreich dann doch nicht.
Dort wurden vier der sechs Reaktoren am Kernkraftwerk Gravelines aus Sicherheitsgründen stillgelegt. Wie der britische „Guardian“ unter Berufung auf den staatlichen Betreiber Électricité de France (EDF) berichtet, soll der Quallenschwarm über einen Kanal, der das AKW mit der Nordsee verbindet, in die Filtertrommeln des AKW gelangt sein, die das Kühlwasser absaugen. Ein Teil der Reaktoren wurde automatisch abgeschaltet, als sich die Filtertrommeln der Pumpstationen mit einem „massiven und unvorhersehbaren“, teilte der Betreiber mit.
Anschließend wurde die Produktion am gesamten Kraftwerk eingestellt, auch weil zwei weitere Blöcke an dem AKW aufgrund von geplanten Wartungsarbeiten außer Betrieb sind. Der Vorfall ereignete sich am späten Sonntagabend, hatte aber keine Auswirkungen auf die Sicherheit der Anlagen oder die Umwelt. Inwiefern die Stromversorgung beeinträchtigt war, blieb unklar.
AKW in Frankreich wegen Hitze im Sparmodus
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Quallenschwarm den Kühlkreislauf eines AKWs verstopft: 2013 hatte ein Schwarm der Nesseltiere einen schwedischen Atommeiler drei Tage lang lahmgelegt. 2005 musste ebenfalls ein Reaktor in Schweden wegen einer Qualleninvasion heruntergefahren werden. Damals gingen Meeresbiologen davon aus, dass zunehmende Verschmutzung, steigende Temperaturen und das Artensterben die Verbreitung von Quallen begünstigen und extreme Fälle wie verstopfte Kühlanlagen an AKW zunehmen könnten.
Das Kernkraftwerk Gravelines ist eines der größten in ganz Frankreich und liegt im Norden des Landes zwischen Calais und Dünkirchen am Ärmelkanal. Gekühlt wird es über einen Kanal zur Nordsee. Die sechs Blöcke des Kraftwerks produzieren jeweils 900 Megawatt Strom. Insgesamt produziert das AKW 5,4 Gigawatt. Wegen der Hitze werden einige AKW in Südfrankreich nur mit verringerter Kapazität laufen können, weil die Temperaturen in den für Kühlwasser genutzten Flüssen steigt. Gleichzeitig rechnen die Behörden damit, dass der Strombedarf steigt.