
Die neue Grundsteuer sorgt in Niedersachsen für Streit. Viele Kommunen verlangen höhere Sätze als politisch zugesagt. Mieter, Eigentümer und Unternehmen warnen vor Mehrbelastungen.
Rund ein Drittel der Kommunen in Niedersachsen verlangt 2025 mehr Grundsteuer als politisch versprochen. Nach einer Auswertung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) haben 298 Städte und Gemeinden Hebesätze oberhalb des sogenannten aufkommensneutralen Niveaus festgelegt. Die Ergebnisse stellten der Steuerzahlerbund, der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen und Bremen (vdw) und der Verband Wohneigentum vor. In einzelnen Fällen liegen die Sätze demnach bis zu 100 Prozent über dem aufkommensneutralen Wert.
Mieter und Eigentümer als Leidtragende
BdSt-Vorstand Jan Vermöhlen sprach von einem ernüchternden Ergebnis. Besonders kleine und mittlere Gemeinden hätten teils kräftig aufgeschlagen. Im Heidekreis etwa liege der Durchschnitt 78 Prozentpunkte über dem neutralen Wert. Die Folgen bekommen Eigentümer direkt zu spüren – und Mieter über die Nebenkosten.
vdw-Direktorin Susanne Schmitt sagte, von einer aufkommensneutralen Umsetzung könne keine Rede sein. Leidtragende seien vor allem die Mieter. Gleichzeitig betonte sie, dass viele Kommunen angesichts leerer Kassen „händeringend nach Einnahmen suchen“ und die Verantwortung beim Land liege.
Streit um Verantwortung
Während andere Bundesländer zentrale Register mit Vergleichswerten führten, müssten Bürger in Niedersachsen die aufkommensneutralen Hebesätze teils mühsam in Ratsunterlagen suchen, bemängelte Vermöhlen. „Den Bürgern, die dieses Jahr mehr zahlen sollen als letztes Jahr, ist nicht klar: Zahle ich jetzt mehr wegen der Reform oder weil meine Gemeinde die Steuer angehoben hat?“
Vermöhlen betonte zudem: „Die Prozentabweichung nach oben ist ungefähr das, was der Steuerzahler mehr zahlen müsste als bei aufkommensneutraler Umsetzung.“ Liegt der Hebesatz 20 Prozent über dem neutralen Wert, entspricht das nach seinen Worten etwa 20 Prozent mehr Belastung.
Wirtschaft warnt vor Nachteilen
Auch die Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen (IHKN) sieht Risiken. „Niedersächsischen Unternehmen drohen zusätzliche kommunale Steuerbelastungen durch vielerorts nicht aufkommensneutrale Grundsteuerhebesätze“, sagte IHKN-Hauptgeschäftsführerin Monika Scherf. Eine Umfrage habe ergeben, dass 244 von 798 auskunftsbereiten Kommunen mindestens fünf Prozentpunkte über dem aufkommensneutralen Wert liegen.
Kommunen verweisen auf Bund und Land
Der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Marco Trips, verteidigte die Städte und Gemeinden. „Ja, viele Städte und Gemeinden erhöhen derzeit die Grundsteuer. Dies hat aber nichts mit der Grundsteuerreform zu tun“, sagte er. Angesichts unterfinanzierter Aufgaben und steigender Sozialausgaben bleibe den Kommunen oft keine andere Wahl.
„Uns hier unterschwellig verdeckte Erhöhungen vorzuwerfen, verkennt die eigentlichen Verursacher in Bund und Land.“ Ohne ein Umdenken in der Bundespolitik seien die kommunalen Haushalte nicht zu retten, weitere Grundsteuererhöhungen seien absehbar.