3. September 2025
Fried – Blick aus Berlin: Robert Habecks Senf zu Söders Würsten – warum der Grüne irrt
Viel und fett zu essen, sei keine Politik, schimpft Robert Habeck zum Abschied. Doch wirklich große Politiker haben auch mit solchen Gerichten Geschichte geschrieben.

Viel und fett zu essen, sei keine Politik, schimpft Robert Habeck zum Abschied. Doch wirklich große Politiker haben auch mit solchen Gerichten Geschichte geschrieben.

Robert Habeck hat die Politik verlassen und sich von seiner Nemesis Markus Söder mit dem Satz verabschiedet: „Dieses fetischhafte Wurstgefresse ist doch keine Politik.“ Habeck spielt damit auf Söders Leidenschaft für fränkische Bratwürste an, vor allem aber auf Söders noch größere Leidenschaft, sich mit Essen abbilden zu lassen und dann mit den Fotos seine Social-Media-Kanäle abzufüllen wie ein französischer Geflügelbauer seine Stopfgänse.

Robert Habeck redet lieber in Videos

Ich finde das fetischhafte Wurstgefresse eine sehr schöne Wort-Schöpfung. Auch Söder wird sie dem verhassten Habeck insgeheim neiden, ist der Ex-Journalist doch selbst schon mit kreativen Begrifflichkeiten aufgefallen: „Schlumpfig“ nannte er einst treffend ein bestimmtes trotzig-selbstbewusstes Grinsen von Olaf Scholz.

Anderer Meinung bin ich mit Habeck, ob die Liebe zur Wurst Politik sei. Selbstverständlich ist es das, nur eben eine andere, als Habeck sie sich wünschte. Die Massentierhaltung und Klimawandel konsequent ignorierende Fleischesserei ist gewiss das genaue Gegenteil der ausgefeilten Video-Ansprachen, die Habeck ans Volk zu richten pflegte, aber – leider – auch erfolgreicher. Die direkte politische Verbindung zwischen Bratwurststand und Bundesregierung sieht man daran, dass Söder den Metzgermeister Alois Rainer zum Landwirtschaftsminister erhob, der 2002 die mit 825 Metern bis heute längste Weißwurst der Welt hergestellt hat.

Essen als Politik. Es gab Politiker, die auf jener höheren Ebene, die Habeck und Söder für immer verwehrt bleiben wird, mit Gerichten Geschichte schrieben. Natürlich fällt einem da als Erstes Helmut Kohl ein, der wichtige Gäste gerne im Deidesheimer Hof mit Saumagen des Metzgermeisters Klaus Hambel bewirten ließ: 40 Prozent ganz mageres Schweinefleisch, 30 Prozent gewürfelte Kartoffeln, 30 Prozent Schweinemett, Salz, Pfeffer, Gewürze. Die Legende will es, dass Boris Jelzin sich das Rezept für seinen Koch im Kreml geben ließ, wohingegen François Mitterrand die Mahlzeit verschmähte. Kohl soll ihm gedroht haben, wenn er nicht aufesse, bekomme er das Saarland und Oskar Lafontaine zurück.

Helmut Kohl servierte Boris Jelzin Saumagen, bei Gerhard Schröder gab’s Eisbein für Jacques Chirac – beides mit Erfolg

Ebenfalls mit Schweinefleisch besänftigte Gerhard Schröder im Dezember 2005 Jacques Chirac, dem es gefallen hatte, im Streit um eine Reform der Europäischen Union en passant die französischen Atomwaffen zu erwähnen. Nach einem Treffen in Hannover schwärmte Chirac vom „besten Eisbein, das ich je gegessen habe“. Nur eine Woche später verständigte sich die EU in Nizza auf eine Reform, mit der die Ost-Erweiterung möglich wurde.

Weniger erfolgreich verlief das Fischbrötchenessen, das Olaf Scholz mit Emmanuel Macron und beiden Gattinnen 2024 am Hamburger Hafen veranstaltete. Die trostlosen Bilder, die dabei entstanden, muss das Fischbrötchengewerbe als geschäftsschädigend empfunden haben.

Und Friedrich Merz? Hat jedenfalls beste Voraussetzungen. Der Kanzler könne „unglaublich viel essen“, verriet Regierungssprecher Stefan Kornelius jüngst beim Tag der offenen Tür der Regierung. In Merz, fast zwei Meter groß, „passt ziemlich viel rein“, so Kornelius.

Trotzdem ist Merz eher dünn, ähnlich wie sein möglicher Nachfolger Hendrik Wüst. Darum beneide er den NRW-Ministerpräsidenten, hat Wurstfreund Markus Söder neulich zugegeben. Wüst könne „endlos essen und bleibt immer schlank“. Könnte natürlich auch daran liegen, dass er anders ist, äh, isst als Söder.