11. September 2025
Totenruhe: Modernstes Bestattungsrecht in Deutschland verabschiedet
Was soll nach meinem Tod passieren? Die Asche verstreuen? Die Urne dem Partner geben? Oder doch eine Sarg-Bestattung? Rheinland-Pfälzer können sich jetzt mehr Wünsche erfüllen als andere Bundesbürger.

Was soll nach meinem Tod passieren? Die Asche verstreuen? Die Urne dem Partner geben? Oder doch eine Sarg-Bestattung? Rheinland-Pfälzer können sich jetzt mehr Wünsche erfüllen als andere Bundesbürger.

Rheinland-Pfalz hat sein Bestattungsrecht so weit geöffnet wie kein anderes Bundesland in Deutschland. Der Landtag hat dafür mit den Stimmen der regierungstragenden Ampel-Fraktionen sowie der oppositionellen AfD eine Neufassung des Bestattungsgesetzes verabschiedet – nach rund 40 Jahren. Die CDU und die Gruppe der Freien Wähler stimmten nach kontroverser Debatte gegen das Gesetz.

CDU: Minister ist Totengräber der Friedhöfe

„Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe“, kritisierte der CDU-Abgeordnete Christoph Gensch in der Debatte. „Wir geben Menschen Halt und Würde ohne jemandem vorzuschreiben, was für ihn würdevoll ist“, sagte dagegen Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD).

Fluss- und Tuchbestattungen werden mit dem Gesetz ermöglicht, aus der Asche Verstorbener dürfen Diamanten hergestellt werden, die Asche kann unter bestimmten Umständen auch unter einem Apfelbaum verstreut oder in der Urne zu Hause aufbewahrt werden.

Urnen dürften aber nicht auf Privatflächen vergraben oder die Asche irgendwo – etwa im Landtag – verstreut werden, betonte Hoch. Und: „Der ungeliebte Ehemann wird nicht einfach irgendwie weggetan, sondern er muss das vorher festlegen.“

Menschen müssen vor ihrem Tod ihren Wunsch festlegen

Voraussetzung für die neuen Möglichkeiten sei: Die Menschen müssen Rheinland-Pfälzer sein und schriftlich vor dem Tod ihren Wunsch niederlegen. Sie müssten auch mit jemandem darüber sprechen, der dann die Verantwortung für die Totenfürsorge übernehme.

Die Novelle solle Anfang Oktober in Kraft treten, kündigte Hoch an. Die Verordnung für Flussbestattungen werde noch etwas länger brauchen.

Heftige Kritik kam von der CDU. „Das geht uns zu weit“, sagte der CDU-Abgeordnete Gensch. Arme Menschen verschwänden künftig schneller aus dem Gedächtnis, „sie haben keinen Ort mehr, der den Tod überdauert“.

Hoch stelle Zeitgeist und Individualität über Pietät und Würde, kritisierte Gensch. Die Kirchen, Verbände und die Öffentlichkeit seien nicht ausreichend an dem Diskussionsprozess beteiligt worden. „Sie verlieren die Mitte der Gesellschaft aus dem Blick.“

Kam die Gesetzesnovelle zu schnell?

Auch Lisa-Marie Jeckel von der Gruppe der Freien Wähler forderte mehr Zeit für die Novellierung des „halbfertigen“ Gesetzes. „Das ist keine Freiheit, das ist Beliebigkeit.“

Die Vorschläge seien schon vor rund neun Monaten erstmals unterbreitet worden, entgegnete Hoch. Er erhoffe sich von dem Gesetz nicht nur, dass in den Familien über Bestattungsformen gesprochene werde, sondern auch über Patientenverfügung, Vorsorgevollmachten, Testamente und Organspenden.

Viele Friedhöfe seien so gestaltet, dass Menschen sie weiter als attraktiv empfänden, sagte Hoch zur Kritik der CDU. „Friedhöfe sind nichts Statisches, sondern was wir miteinander prägen.“

Sternenkinder dürfen beerdigt werden

Die Zustimmung aller Fraktionen fand die Regelung, nach der künftig sogenannte Sternenkinder beerdigt werden können, auch gemeinsam mit einem gleichzeitig verstorbenen Elternteil. Gemeint sind ungeborene Kinder, die vor der 24. Schwangerschaftswoche sterben oder die mit weniger als 500 Gramm tot auf die Welt kommen.

Eingeführt wird auch eine Obduktionspflicht für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, wenn die Ursache ihres Todes nicht zweifelsfrei geklärt ist.

Die Ausgabe von Teilen der Asche aus einer Urne ist Bestattern vorbehalten. Wenn Asche übrig ist, etwa nach der Fertigung eines Diamanten oder nach einer Flussbestattung, muss sie in der Regel auf einem Friedhof bestattet werden.

Verstorbene können künftig auch am offenen Sarg verabschiedet werden, entweder beim Bestattungsunternehmen oder bei der Bestattungsfeier.

Für Soldaten, die im Auslandseinsatz gestorben sind, soll es dauerhafte Ehrengräber geben.

Beispiel Diamant: Viele erfüllen sich ihren Wunsch im Ausland

„Die alten Möglichkeiten der Beerdigung werden nicht abgeschafft“, betonte der SPD-Abgeordnete Oliver Keusch in der Debatte. Es gehe um den Respekt vor klassischen und neuen Bestattungsformen, eine Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen der vergangenen 40 Jahre. Menschen, die sich ihren Wunsch im Ausland erfüllten, sollten nicht auch noch ein schlechtes Gewissen haben müssen.

Rund 20 Prozent der Menschen suchten bereits ihre Lösung im Ausland, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Steven Wink. Der Wille des Verstorbenen sei entscheidend, dem trage das Gesetz Rechnung.

Wenn jemand zu Lebzeiten nichts anderes verfügt habe, bleibe der Friedhof der Normalfall, betonte der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler. „Das Gesetz bedeutet mehr Freiheit, nicht weniger Tradition.“ Friedhöfe seien schon immer im Wandel gewesen, angepasst an die Lebenswünsche der Menschen. Das Gesetz eröffne Wahlmöglichkeiten, ohne die Beerdigungskultur infrage zu stellen. Die vorgesehene Evaluation des Gesetzes sei auch vorgesehen, um Skeptikern gerecht zu werden.

Damian Lohr von der AfD sagte, „es werden viele gute Neuerungen eingeführt“. Beim Tod solle in erster Linie der Wille des Verstorbenen zählen.