14. September 2025
Bahnverkehr: Bürgerinitiativen mit "Whyte Dynner" gegen Schnellstrecke
Bürgerinitiativen fordern den Stopp der Pläne der Deutschen Bahn für die Neubaustrecke Hamburg–Hannover. Erst sollten die bestehenden Trassen saniert und ausgebaut werden.

Bürgerinitiativen fordern den Stopp der Pläne der Deutschen Bahn für die Neubaustrecke Hamburg–Hannover. Erst sollten die bestehenden Trassen saniert und ausgebaut werden.

Gegen eine Schnellstrecke der Bahn entlang der A7 und durch die Lüneburger Heide haben Bürgerinitiativen mit einem symbolischen Abendessen in Ramelsloh in der Gemeinde Seevetal im Landkreis Harburg demonstriert. Die Bürgerinitiative Y-Monster hatte zum „Whyte Dynner des Widerstands“ gegen die geplante Neubaustrecke Hamburg–Hannover aufgerufen. Nach Polizeiangaben waren rund 2.500 Menschen vor Ort, die Organisatoren sprachen von etwa 5.000 Teilnehmern.

„Die Bahn sagt, wir sollen groß und nachhaltig denken. Das tun wir. Aber groß heißt nicht größenwahnsinnig – und nachhaltig heißt nicht naturzerstörend“, sagt Reinhard Crasemann, Mitgründer der Y-Monster. In den 90er-Jahren plante die Deutsche Bahn eine neue Verbindung Hamburg–Hannover unter Einbeziehung von Bremen mit Namen „Y-Trasse“, sie scheiterte an Protesten. So gab es das Dinner vor zehn Jahren schon einmal, damals nahmen 3.000 Menschen darein teil.

Die nun von der Bahn favorisierte Strecke soll an der A7 entlangführen, weicht in weiten Teilen aber davon ab. „Die Pläne führen zu einem ökologischen Desaster“, sagt Gisela Wicke vom Naturschutzbund Nabu Niedersachsen, „wir fordern die Bahn auf, unverzüglich die Planungen für die Neubautrasse zu stoppen“.

Die Lüneburger Heide sei für Tiere wie scheues Rotwild eine der wenigen großräumigen Flächen in Deutschland, die nicht zerschnitten sei, führt auch die Landesjägerschaft an. Die Kritiker monieren, dass der vor zehn Jahren gefundene Kompromiss beim Dialogforum Schiene Nord für den Ausbau der Bestandsstrecken von der Bahn nicht eingehalten werde. Er wird Alpha-E-Kompromiss genannt und sieht unter anderem ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen vor. 

Bürgerinitiativen sehen Gefahr der Verzögerung

„Die Bahn kommt auf 9,3 Milliarden Euro, die der Bestandsausbau kosten würde, das ist absurd“, sagt Peter Dörsam, Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt. Wenn man allein auf die etwa 109 Kilometer lange Neubaustrecke setze, habe man erst, wenn sie komplett fertig gestellt sei, einen Nutzen. Abzweigungen sind nicht geplant. „Wenn man bis 2045 klimaneutral sein will, ist diese Strecke nie fertig und man baut nur einen riesigen Klimarucksack auf“, sagt der studierte Physiker. 

Er sieht die Gefahr, dass die geplante Generalsanierung nicht ernsthaft angegangen werde: „Dann stehen wir in 20 Jahren so schlecht da wie jetzt, wenn nichts angegangen wird.“ So sei zur Entlastung des Verkehrs ein zweites Gleis zwischen Rotenburg und Verden bereits vom Bundestag genehmigt, geschehen sei aber nichts, führt Dörsam an. 

Der Deutschlandtakt als Begründung

Begründet werden die Neubaupläne mit den Zielen des „Deutschlandtakts“. Dieser soll irgendwann die wichtigen Hauptachsen des Fernverkehrs im halbstündlichen Rhythmus verbinden. Das soll zu besseren Umsteigemöglichkeiten und deutlich kürzeren Reisezeiten führen. Die bisherige Strecke Hamburg-Hannover gehört laut Bahn zu den am stärksten überlasteten Deutschlands. 

Kritisch eingestellt ist auch die Landesregierung. Wegen der Einschnitte in die Natur brauche man eine Raumverträglichkeitsprüfung, fordert Verkehrsminister Grant Hendrik Tonne (SPD): „Aber die Bahn will vorher eine Entscheidung im Bundestag herbeiführen.“ In der Region sehe man den Frust der Menschen. Auch Parteikollege und Finanzminister Lars Klingbeil, dessen Wahlkreis im betroffenen Heidekreis liegt, ist skeptisch: „Ich bin für einen Ausbau des Schienenverkehrs. Aber ich sehe, dass Vertrauen in Beteiligungsprozesse verloren geht, wenn verabredete Kompromisse, die mühsam über Jahre erarbeitet wurden, infrage gestellt werden.“