21. Oktober 2025
Mjällby AIF: Wie einem Dorfklub in Schweden eine Fußball-Sensation gelang
Ein Verein mit kleinem Etat aus einem 1400-Seelen-Dorf in Schweden schreibt Fußball-Geschichte: Der Mjällby AIF hat vorzeitig den Meistertitel gewonnen. Wie ist das möglich?

Ein Verein mit kleinem Etat aus einem 1400-Seelen-Dorf in Schweden schreibt Fußball-Geschichte: Der Mjällby AIF hat vorzeitig den Meistertitel gewonnen. Wie ist das möglich?

Wunder gibt es immer wieder, sagt man, wenn etwas scheinbar Unerklärliches passiert. Doch wenn man genauer hinsieht, ist das Wunder im Fall des schwedischen Fußballklubs Mjällby AIF gar nicht mehr so „wunderlich“. Schaut man genauer hin, wird es auf einmal ganz irdisch und erklärbar. 

Das Wunder sieht so aus: Der kleine Verein aus einem 1400-Seelen-Dorf Mjällby an der Südküste Schwedens hat gerade das erste Mal in seiner Geschichte den Meistertitel gewonnen. Drei Spieltage vor Ende der Saison liegt MAIF mit elf Punkten uneinholbar an der Tabellenspitze und darf im nächsten Sommer in der Champions-League-Qualifikation antreten. Wer weiß, wohin der Weg des kleinen Vereins noch führt. Wilde Träume sind in dem kleinen Ort an der Ostseeküste fortan erlaubt.

In Schweden ist die Begeisterung groß

In Schweden ist die Begeisterung groß. „Die Sensation ist Realität“, schrieb die schwedische Zeitung „Aftonbladet“. Die Zeitung „Svenska Dagbladet“ zitierte den Sportwissenschaftsprofessor Torbjörn Andersson, der behauptete, dass der außergewöhnliche Erfolg des MAIF „in der gesamten Geschichte des Weltfußballs, einschließlich aller Länder, völlig einzigartig“ sei. 

Die Geschichte vom kleinen Außenseiterklub, der das gesamte Establishment des schwedischen Fußballs von Rekordmeister Malmö FF bis Hammarby IF hinter sich lässt, ist aber auch zu schön. Einige Fakten belegen das Märchen: Der MAIF hat nur den neunthöchsten Marktwert aller 16 Erste-Liga-Teams, das Budget der großen Vereine ist um ein Vielfaches höher. Die Mannschaft spielt in einem Stadion im Nachbarort mit einem Fassungsvermögen von 7500 Zuschauern, dem Strandvallen. Zu den Heimspielen kommen in der Regel 5000 Leute. Das sind Dimensionen, die in Deutschland in der 3. oder 4. Liga üblich sind.

Bescheidene Hütte: Trainer Anders Torstensson vor der Haupttribüne des Strandvallen
© Johan Nilsson / TT

Der Erfolg beweist einmal mehr, dass akribische Arbeit, ein klarer Plan und wahnsinnig viel Herzblut Wunder möglich machen. Zudem kam der große Erfolg nicht über Nacht. MAIF erreichte nach dem Aufstieg in die Allsvenskan (so heißt die erste schwedische Liga) 2019 bis auf eine Ausnahme immer einen einstelligen Tabellenplatz, zweimal waren die in Gelb und Schwarz spielenden Südschweden Fünfter, 2023 stand der Klub im Pokalfinale. 

Wie man mit Professionalität und absoluter Leidenschaft unter speziellen Bedingungen das Maximale herausholt, dafür steht Klubchef Jacob Lennartsson, 36 Jahre alt. Er stammt aus der Gegend, spielte in seiner Jugend für den AIF, stand in der Fankurve, wurde Jugendtrainer und 2022 Vereinschef. Dem „Kicker“ sagte Lennartsson, dass die Fischer des Ortes „ein Vorbild für uns“ seien. „Sie gehen morgens raus und nehmen ihr Boot. Wenn es kaputt ist, reparieren sie es mit ihren eigenen Händen. Und dann fahren sie raus, auch wenn es regnet oder wolkig ist, und machen ihre Arbeit, weil sie sie lieben.“

Alles folgt einem systematischen Plan

Was nach Folklore klingt, wird in Mjällby in allen Bereichen geflissentlich umgesetzt. Der Verein verfolgt seit Jahren eine konsequente Finanzpolitik. Es wird nur ausgegeben, was der Klub einnimmt. Das oberste Kredo: keine Schulden. Daneben sind klare sportliche Ziele definiert, die sich wiederum in kleine Unterziele aufteilen lassen. Das geht so weit, dass es Vorgaben für den Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte gibt.

All das wird kontrolliert. Liegt die Mannschaft in einem Punkt hinter den Zielen, arbeitet Trainer Anders Torstensson daran. Sein Assistent hat eine Doktorarbeit über die visuelle Wahrnehmung im Fußball geschrieben, auch solche Erkenntnisse fließen in das Training ein. Die Spieler treffen sich zweimal im Jahr mit den Mannschaftsköchen, um den Speiseplan zu optimieren. Eine funktionierende Scoutingabteilung, die sportlich wie mental passende Profis holt, ergänzt das Erfolgsmodell.  

Der ausgeprägte Teamgeist hält das Gebilde zusammen. Viele Profis wohnen gemeinsam in einem Mehrfamilienhaus. Es wird kolportiert, dass sie sich abends auch mal auf eine Partie Risiko treffen. Der Glaube an das Kollektiv ersetzt individuelle Qualität. „So etwas hätte ich nie gedacht“, sagte Jacob Bergström, einer der Torschützen beim Sieg gegen IFK Göteborg nach der Partie. „Ich bin unglaublich dankbar, Teil dieser Gruppe zu sein. Wir zeigen, dass man als Kollektiv unglaublich weit kommen kann.“ 

Quellen: DPA, „Kicker„, „Süddeutsche Zeitung„, „Transfermarkt