27. Oktober 2025
Ostseefischerei: Heringsfangstopp: Notwendig oder "blanke Katastrophe"?
Am Montag beraten die Agrar- und Fischereiminister der EU über die künftigen Höchstfangmengen in der Ostsee. Vielen Beständen geht es schlecht. Aber welchen Einfluss hat die Fischerei noch?

Am Montag beraten die Agrar- und Fischereiminister der EU über die künftigen Höchstfangmengen in der Ostsee. Vielen Beständen geht es schlecht. Aber welchen Einfluss hat die Fischerei noch?

Alljährlich im Herbst beraten die zuständigen EU-Minister darüber, welche Fische in welchem Umfang in der Ostsee gefangen werden dürfen. Weil die Bestände teils stark unter Druck stehen, dürfen Fischer vor der deutschen Ostseeküste ehemals wichtige Arten wie Dorsch und Hering schon länger nicht mehr gezielt oder nur mit Ausnahmen anlanden. Reichen die bisherigen Beschränkungen aus? Darüber gibt es vor dem diesjährigen Treffen der EU-Minister Anfang der Woche unterschiedliche Auffassungen.

Forderung nach Fangstopp für Hering und Dorsch

Der Fischereiwissenschaftler Rainer Froese fordert die Politik auf, den Fang von Dorsch und Hering in der Ostsee für mindestens ein Jahr zu stoppen – ohne Ausnahme und auch die Beifänge. Besser wären zwei bis drei Jahre, sagte der Forscher vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel der Deutschen Presse-Agentur. Dann dürften die Arten auch nicht angelandet und verkauft werden.

„Wir machen so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann in der Ostsee“, betonte Froese. Fische würden gefangen, bevor sie sich fortpflanzen können. Grundschleppnetze zerstörten zudem die Futter- und Laichgebiete der Arten und Überdüngung führe zum Schrumpfen ihrer Lebensräume, da in vielen Meeresgebieten Sauerstoffmangel herrsche.

Die Schuld sieht Froese jedoch nicht bei den Fischern. „Sie haben in den letzten Jahren weniger gefangen, als erlaubt war“, erklärte er. Die Fischer vertrauten darauf, dass die festgelegten Fangmengen nachhaltig seien. Für die Zeit der Fangstopps müssten sie daher entschädigt werden. Andere Arten wie Schollen und andere Plattfische, deren Bestände stabil seien, könnten weiterhin gefangen werden.

Der Vorsitzende des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein, Lorenz Marckwardt, zweifelt hingegen an, dass Bund sowie das Land ausreichend Geld hätten, um im Falle eines Fangstopps die Fischer wirtschaftlich am Leben zu halten. 

Thünen-Institut: Kippen von Ausnahme wäre „Katastrophe

Der Leiter des Rostocker Thünen-Instituts für Ostseefischerei warnt davor, die bislang bestehenden Ausnahmen beim Hering der westlichen Ostsee aufzuheben. Das wäre die „blanke Katastrophe“, sagt Christopher Zimmermann der Deutschen Presse-Agentur. Die hiesigen Fischer hätten dann nur noch „ein bisschen Hornhecht und wenige Plattfische“. Auch stünden dann der Wissenschaft keine Bestandsdaten aus dieser Fischerei mehr zur Verfügung.

Schon länger dürfen deutsche Fischer in der westlichen Ostsee keine Heringe mehr gezielt mit Schleppnetz fangen. Die Ausnahmen sehen aber vor, dass sie mit kleinen Booten und passivem Fanggerät wie Stellnetzen Hering noch gezielt in geringem Maß fangen dürfen.

„Ob wir das nun einstellen oder nicht, hat für die Bestandsentwicklung überhaupt keine Auswirkung“, sagt Zimmermann. Viel wichtiger sei etwa, die Norweger zu überzeugen, zu bestimmten Zeiten weniger Hering in der östlichen Nordsee zu fischen, weil sie dort dann auch Fische aus dem wandernden Heringsbestand der westlichen Ostsee abfischten. Zimmermann ist Mitglied des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) und berät die EU-Kommission bei der Festsetzung der Fanghöchstmengen.

Die EU-Kommission hat laut Zimmermann wie in den zurückliegenden beiden Jahren auch für 2026 vorgeschlagen, diese Ausnahme zu kippen. Das hieße nach seiner Ansicht, „dass im Grunde das letzte bisschen, was unsere Fischerei noch am Leben hält, dann auch weg wäre“. Der Ministerrat habe sich in den zurückliegenden Jahren entgegen dem Kommissionsvorschlag dazu entschieden, die Ausnahme beizubehalten. Zimmermann rechnet auch in diesem Jahr damit.

Das Verbot der gezielten Dorsch-Fischerei in der westlichen Ostsee sei angesichts der Probleme des Bestandes auch weiterhin geboten. Dem Dorsch setzten Sauerstoffarmut und höhere Wassertemperaturen besonders zu. Beim Hering seien die Mechanismen etwas andere, aber auch er leide unter derartigen Umweltfaktoren.

Experte: Lachs wichtig für Angeltourismus

Aus deutscher Sicht sei auch interessant, ob die Lachsangelei in der südlichen Ostsee eingestellt werde, wie von der Kommission erneut vorgeschlagen, sagte Zimmermann. Nach Ansicht des Thünen-Instituts sei hingegen die bisherige Regelung angemessen. Demnach darf ein Lachs pro Tag angelandet werden, aber nur wenn er eine abgeschnittene Fettflosse hat. Daran erkennen Angler, dass es sich um Besatz- und nicht um Wildfische handelt. „Die Bedrohung für diesen Bestand kommt ohnehin aus der Süßgewässerverbauung und nicht durch die Angelei.“ Lachs sei wirtschaftlich wichtig für den hiesigen Angeltourismus.

Forderung nach „Augenmaß“

„Unsere Perspektive als Thünen-Institut ist: Macht es bei den für Deutschland wichtigen Beständen einfach genauso wie im letzten Jahr. Die richtigen Maßnahmen sind getroffen, die Sterblichkeit ist gering“, sagt Zimmermann. Dass die Bestände dennoch weiterhin stark unter Druck stehen, liege an Umwelteinflüssen.

Die Staatssekretärin des Landwirtschaftsministeriums in Kiel erklärt: „Unsere Küstenfischerinnen und -fischer stehen derzeit wirtschaftlich mit dem Rücken zu Wand.“ Daher hoffe das Ministerium, dass bei den Verhandlungen der EU-Minister mit „Augenmaß“ vorgegangen wird. So dürfe die Beifangquote nicht weiter reduziert werden, sondern die Umweltprobleme der Ostsee müssten mehr in den Blick genommen werden.