7. November 2025
Mödlareuth: Fünf wenig bekannte Fakten über "Little Berlin"
Ein Dorf wird berühmt - aus weltpolitisch tragischem Anlass: Eine Mauer teilt im Kalten Krieg nicht nur Berlin, sondern auch Mödlareuth. Heute gibt es dort ein Museum - mit überraschenden Einblicken.

Ein Dorf wird berühmt – aus weltpolitisch tragischem Anlass: Eine Mauer teilt im Kalten Krieg nicht nur Berlin, sondern auch Mödlareuth. Heute gibt es dort ein Museum – mit überraschenden Einblicken.

Der Bundespräsident war schon Anfang Oktober zur Einweihung da, nun öffnet am 9. November der Neubau des Deutsch-Deutschen Museums Mödlareuth samt neuer Dauerausstellung offiziell. Für rund 22 Millionen Euro ist das weltweit bekannte Museum umfassend modernisiert worden. Die Fläche für die Dauerausstellung habe sich deutlich erhöht, sagt der Hofer Landrat Oliver Bär (CSU): von bisher 270 auf mehr als 500 Quadratmeter. Vom Neubau aus können Besucherinnen und Besucher direkt auf das Außengelände blicken.

Die lokale Geschichte des einst geteilten Dorfes Mödlareuth an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen verwebt sich im Museum mit der deutschen und internationalen Geschichte – und bietet so manch überraschenden Einblick.

Mödlareuth war schon vor dem Krieg geteilt – gestört hat es nicht

Die Mauer, die Zäune, die Grenzpolizisten machten die Teilung mehr als offensichtlich. In Mödlareuth prallten zwei Welten aufeinander: die BRD, eingewoben in westliche Bündnisse, und die DDR, fest an der Seite der Sowjetunion. Deshalb wurde das Dorf berühmt als „Little Berlin„. Doch schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg bestand der kleine Ort quasi aus zwei Teilen. „Mödlareuth war schon vor 1945 verwaltungstechnisch geteilt“, sagt Museumschef Robert Lebegern. 

Nur: Gestört hat es niemanden. 1810 wurde ein Grenzstein am Tannbach gesetzt, der mitten durch Mödlareuth fließt: Der eine Teil gehörte zum Königreich Bayern, der andere zum Fürstentum Reuß. Trotzdem gingen die Mödlareuther Kinder gemeinsam zur Schule, die Menschen trafen sich zum Gottesdienst im bayerischen Töpen. „Die Menschen arbeiteten zusammen in ihrer landwirtschaftlichen Struktur“, sagt Ludwig Unger von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung. Die Trennung existierte nur auf dem Papier – bis 1945.

Beinahe wäre ganz Mödlareuth in die Sowjet-Besatzungszone geraten

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs nahmen US-amerikanische Soldaten Thüringen ein. Allerdings zogen sie sich wieder zurück, weil nach dem Londoner Protokoll von 1944 das Gebiet in die sowjetische Besatzungszone fallen sollte. „Versehentlich“, so heißt es im Museum, überließen die US-Soldaten dabei auch den bayerischen Teil Mödlareuths der Roten Armee. 

Die sowjetischen Soldaten hätten am Ortsausgang Richtung Töpen einen Schlagbaum aufgestellt und einen Kommandoposten eingerichtet. Es sei im Dorf mehrfach zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gekommen. Erst im Juli 1946 hätte sich die sowjetische Armee hinter den Tannbach zurückgezogen. Der Grenzverlauf lag nun so, wie es die Siegermächte abgesprochen hatten.

Fluchtversuche 

Aus dem Ostteil Mödlareuths gab es Fluchtversuche in den Westen. Geschildert im Museum wird das Schicksal der Familie Wurziger, die die Obere Mühle des Dorfes bewohnt hatte. Haus und Scheune standen genau an der Grenze zur Bundesrepublik. Im Juni 1952 sollte die Familie umgesiedelt und die Mühle geräumt werden. Doch kurz bevor der Transport-Lkw das Anwesen erreichte, gelang der Familie die Flucht nach Bayern – über das Scheunenfenster.

Später, in den 1970er und 1980er Jahren, sei DDR-weit nur ein kleiner Teil der Fluchtversuche geglückt, betont Museumschef Lebegern. Wer den Neubau des Deutsch-Deutschen Museums betritt, dem fällt zuerst ein Flugzeug ins Auge, das an der Decke installiert ist: „DOWA 81“. Es illustriert einen Fluchtversuch. Der Ingenieur Gerhard Wagner aus Dresden habe es gebaut, schildert Lebegern. Der Plan: Mit dem zerlegbaren Leichtflugzeug wollten Wagner und seine Familie von einem ehemaligen Braunkohletagebau aus in den Westen fliegen. Die A9 sollte als Orientierungshilfe dienen. 

Doch dazu kam es nicht, die Staatssicherheit war ihm auf die Spur gekommen. Mindestens vier inoffizielle Mitarbeiter seien auf Wagner angesetzt gewesen, sagt Lebegern. Wagner und seine Familie kamen in Haft, gelangten dann über den Häftlingsfreikauf in die Bundesrepublik. 

Die Mödlareuther Mauer wurde später als die Berliner Mauer gebaut

Die Mauer in Berlin wurde 1961 errichtet – ein historisches Datum, das weltweit Beachtung fand. In Mödlareuth ließ das DDR-Regime erst später eine Mauer hochziehen. Allerdings gab es zuvor schon einen Bretterzaun, dann dazu ein Stacheldrahtgeflecht und viele weitere Vorrichtungen, die die Trennung markierten. Schließlich folgte 1966 der Bau einer 700 Meter langen, 3,30 Meter hohen Betonmauer, um die beiden Ortsteile endgültig zu trennen. 

… und sie fiel auch später als in Berlin

Auch das Ende der Trennung kam in „Little Berlin“ nicht ganz so schnell wie in der heutigen Hauptstadt. In Berlin fiel bekanntlich am 9. November 1989 die Mauer. In Mödlareuth blieb sie zunächst stehen. Am 5. Dezember zündeten die Menschen im westlichen Teil Kerzen an und forderten damit die Öffnung der Mauer. Im Ostteil gab es eine Versammlung. Zwei Tage später entfernten DDR-Grenztruppen zwei Mauersegmente und installierten stattdessen ein Tor. Am 9. Dezember feierte Mödlareuth endlich wieder zusammen, der Bundeskanzler und der US-Präsident schickten Grußworte in das nun wieder vereinte Dorf.