7. Juli 2025
Flüchtlingspolitik: Kaum neue Klagen von Asylbewerbern gegen Zurückweisungen
Nachdem drei Somalier erfolgreich gegen ihre Zurückweisung an der deutschen Grenze geklagt hatten, wurde mit einer Prozesswelle gerechnet. Doch die bleibt offenbar aus.

Nachdem drei Somalier erfolgreich gegen ihre Zurückweisung an der deutschen Grenze geklagt hatten, wurde mit einer Prozesswelle gerechnet. Doch die bleibt offenbar aus.

Seit zwei Monaten werden an deutschen Grenzen Asylbewerber zurückgewiesen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CDU) führt die drastisch gesunkenen Einreisen auch darauf zurück. 

Als Reaktion führt nun allerdings Polen ab diesem Montag ebenfalls Grenzkontrollen zu Deutschland ein. Ein Rückschlag für Dobrindt. 

Immerhin: Die Klageflut, die mancher in der Bundesregierung gefürchtet hat, die bleibt aber offenbar aus. Bisher haben erst sechs Asylbewerber gegen ihre Zurückweisung geklagt. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage des stern hervor. 

Auf die Entscheidung in drei weiteren Verfahren wird noch gewartet

Neben den drei Somaliern, die mithilfe von ProAsyl erfolgreich gegen ihre Zurückweisung vorgegangen waren, sind dem Ministerium lediglich „drei weitere Verfahren im Zusammenhang mit der Zurückweisung von Asylsuchenden“ bekannt, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Bei den drei weiteren Verfahren gebe es noch keine Entscheidungen.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Alexander Throm, sagte dem stern dazu: „In unserem Rechtsstaat ist es selbstverständlich, dass Gerichte angerufen werden können.“ Dies sei zu erwarten gewesen. „Es handelt sich aber um eine grundsätzliche europarechtliche Frage, die dann auch nur vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden kann“, sagte Throm.

Anders sehen es die Grünen. Vize-Fraktionschef Konstantin von Notz sagte dem stern: „Immer wieder hat Alexander Dobrindt suggeriert, die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen stünde nicht im Geringsten infrage.“ Das sei nach den Entscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts zu den drei Somaliern abwegig. „Auch das Gericht wies darauf hin, dass sein Haus verpasst habe, die Maßnahmen ausreichend zu begründen.“

Die Begründung für Zurückweisungen will Dobrindt erst vor Gericht liefern

Tatsächlich hatte der Bundesinnenminister nach der Entscheidung erklärt, er werde eine Begründung nachliefern. Das hatte auch Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) von ihm gefordert; der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts hatte das Festhalten an den Zurückweisungen ebenfalls kritisiert. Das BMI schreibt dazu nur, die Weisung an die Bundespolizei vom 7. Mai habe „weiterhin Bestand.“

Stattdessen will Dobrindt Nachbesserungen nun erst im weiteren juristischen Verfahren vorlegen. Ein Sprecher des Ministeriums schreibt, die „nicht ausreichend dargelegte Begründung für die Inanspruchnahme des Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union werden wir im Hauptsacheverfahren beibringen“. Hinter diesem Artikel verbirgt sich das Recht von Staaten, das Aufrechterhalten von Sicherheit und Ordnung in eigener Zuständigkeit zu regeln. Laut Rechtsauffassung im Ministerium sind damit auch die Zurückweisungen begründbar.

Grüne fordern mit Nachdruck eine Begründung

Der Grüne von Notz ist sauer: „Wir haben wiederholt umfassende Fragenkataloge an die Bundesregierung gerichtet“, kritisiert er. „Bis heute kann das federführende Haus maßgebliche Fragen nicht beantworten.“ Die die SPD-Justizministerin habe zwar erst klare Worte gefunden, verschanzte sich jetzt aber hinter dem BMI. „Mit Nachdruck fordern wir Innenminister Dobrindt noch einmal dazu auf, von den Zurückweisungen Abstand zu nehmen und die versprochenen, längst überfälligen Begründungen der Maßnahmen nachzuliefern.“

Die Hoffnung im BMI dürfte allerdings eine andere sein: Bevor es zu einem endgültigen juristischen Ergebnis kommt, will man am liebsten mit den neuen konservativen Mehrheiten in Europa das europäische Recht verändert haben. CDU-Innenpolitiker Throm: „Nahezu alle anderen europäische Staaten missachten das europäische Recht der Dublin-Verordnung, vor allem zulasten Deutschlands.“ Die Bundesregierung könne deshalb nicht auf Zurückweisungen verzichten. „Unser Ziel muss es sein, europäisches Recht so zu schaffen, dass alle sich daran halten.“ Deshalb müsse man jetzt zusätzlich europäisches Recht ändern.

Dobrindt plant Asylgipfel auf der Zugspitze

Auch deshalb lädt der Bundesinnenminister Dobrind einige EU-Amtskollegen Mitte Juli symbolträchtig zu einem Migrationsgipfel auf der Zugspitze ein. Bei dem Treffen in zwei Wochen werde es um die „Neuordnung der europäischen Migrationspolitik“ gehen, hieß es aus dem Ministerium. 

Der Termin zeigt, wie eilig es Dobrindt offenbar hat. Zwar spielen dem Minister derzeit die deutlich sinkenden Asylzahlen in die Karten. Zuletzt berichtete die „Welt am Sonntag“, dass im ersten Halbjahr nur 65.495 Asylanträge gestellt wurden – ein Rückgang um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Allerdings lassen sich die Grenzkontrollen mit mehr als 3000 zusätzlichen Beamten nicht ewig aufrechterhalten.

Intern drängt der Koalitionspartner SPD schon auf ein Ende zum Neustart der Bundesligasaison Ende August. Dann würden die Bundespolizisten spätestens wieder für den Schutz von Bahnhöfen und Zugfahrten mit Hooligans gebraucht. Im Innenministerium teilt man diese Position nicht. 

Mindestens bis zum Jahresende will der Innenminister die Kontrollen aufrechterhalten, ist zu hören. Offiziell heißt es: „Die Weisung des Bundesinnenministers ist derzeit zeitlich nicht befristet.“