
Das Medikament Paracetamol soll Autismus auslösen, behaupten Donald Trump und US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy jr. – was hinter der absurden Behauptung steckt.
Auf einer Pressekonferenz am Montag im Weißen Haus hat Donald Trump verkündet, dass das Medikament Paracetamol (US-Markenname: Tylenol) mitverantwortlich für Autismus sei. Deshalb warnte er schwangere Frauen davor, Paracetamol einzunehmen: „Es ist nicht gut.“
Hinter ihm stand US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy jr. Der hatte im Frühjahr angekündigt, bis September die Ursache für Autismus, eine neurologische Entwicklungsstörung, zu präsentieren – und Kennedy lieferte: Das Teufelszeug, das maßgeblich zur Entstehung der „Epidemie“ Autismus beitrage, sei Paracetamol.
Autismus ist Thema unter Verschwörungstheoretikern und für Donald Trump
Dass die Wissenschaft keinerlei Zusammenhang sieht, spielte in diesem Moment im Weißen Haus keine Rolle. Dass Autismus laut aktuellem Forschungsstand zu 80 Prozent durch bestimmte Gen-Kombinationen ausgelöst wird, auch nicht. Neben den genetischen stehen andere Faktoren im Verdacht, das Risiko zu erhöhen: ein höheres Alter der Eltern, Infektionen während der Schwangerschaft (z.B. Röteln) oder das Epilepsie-Medikament Valproinsäure – weshalb Frauen im gebärfähigen Alter das Mittel in Deutschland nicht mehr bekommen.
Aber warum sind Kennedy jr. und Trump so besessen von dieser Störung, die die unendlich vielen Varianten und Schweregraden auftritt?
Autismus ist gewissermaßen ein Klassiker unter Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern, und Kennedy gehört beiden Lagern an. Trump mag flexibler in seinen Ansichten sein, er ließ sich in der Pandemie ordnungsgemäß impfen. Aber zahlreiche seiner Anhänger kommen aus diesen Gruppen, deren Kennzeichen Fanatismus und Wissenschaftsfeindlichkeit sind. Selbstverständlich nahmen die Verschwörungstheoretiker der einflussreichen Qanon-Bewegung die kruden Theorien um die Entstehung von Autismus in ihren Kanon auf.
Autismus wird für krude Weltsicht benutzt
Dass Autismus in diesen Milieus im Fokus steht, hat mehrere Gründe. Da ist zum einen das Phänomen, dass sich die Zahl der Diagnosen für Autismus weltweit stark erhöht hat. Derzeit geht man aufgrund von Studien in mehreren Ländern von 0,6 bis einem Prozent aus, was einen starken Anstieg bedeutet. „Es muss etwas geben, das es verursacht“, hatte Trump mit Blick auf den Anstieg der Autismusdiagnosen mehrmals gesagt. Vermutet wird, dass die Steigerung mit dem medizinischen Fortschritt zu tun hat. Ärzte wissen mehr über Autismus. Gleiches gilt für Eltern. Autismus wird einfach besser erkannt, zudem erhalten auch viele Erwachsene die Diagnose.
Für Kennedy ist Autismus deswegen eine Epidemie, die durch äußere Faktoren ausgelöst wird. „Das ist eine vermeidbare Krankheit. Wir wissen, dass es Umwelteinflüsse sind. Das muss so sein, denn Gene lösen keine Epidemien aus“, behauptete er.
Historisch betrachtet nimmt die Autismus-Verschwörung ihren Ausgang im Jahr 1998 in Großbritannien. Damals präsentierte der Arzt Andrew Wakefield eine Studie in der renommierten, medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“. Darin wollte er auf Grundlage von zwölf Autismus-Fällen nachgewiesen haben, dass es einen Zusammenhang zwischen MMR-Impfstoffen und der Entstehung von Autismus gebe.
Kein wissenschaftlicher Beleg für Paracetamol als Auslöser
Seine Studie wurde später als Fälschung enttarnt. Wakefield hatte Geld von Eltern autistischer Kinder erhalten, die Ärzte wegen der Impfungen auf Entschädigungen verklagen wollten. Sämtliche Versuche, seine Ergebnisse zu reproduzieren, scheiterten. „The Lancet“ zog die Studie zurück und der Arzt erhielt in Großbritannien Berufsverbot.
Doch die wissenschaftliche Aufklärung nutzte nichts. Der Mythos vom Impfstoff, der Autismus auslöst, war in der Welt und wurde durch Impfgegner weiterverbreitet. Der heutige US-Gesundheitsminister, früher ein engagierter Umweltanwalt, sprang auf den Zug auf. Dass die Wakefield-Studie sich als Humbug entpuppte, ficht Menschen wie Kennedy jr. und Impfgegner nicht an. Wie es für Verschwörungstheoretiker typisch ist, fanden sie andere Ursachen. Die hohe Impfdichte war es jetzt, die Autismus auslöste, später kamen die Aluminiumsalze hinzu.
Und jetzt Paracetamol. Das Medikament geriet in den Verdacht, weil es Studien gibt, die eine statistische Korrelation nahelegen zwischen der Entstehung von Autismus und dem Wirkstoff. Doch dieser Verdacht wurde nicht weiter belegt. Dennoch haben die Verschwörungstheoretiker die nächste Erklärung parat, unabhängig davon, dass sie Unsinn ist. Was Trump und Kennedy jr. mit ihrer gefährlichen Nonsens-Politik anrichten, lässt sich derzeit nur erahnen.
Quellen: „Deutschlandfunk„, „Zeit„, MDR, „Tagesschau„