27. September 2025
Nord Stream 2: Sellering: Regierung sollte Frieden mit Klimastiftung machen
Erwin Sellering wirft der Landesregierung staatliches Fehlverhalten im Umgang mit der Klimastiftung vor. Er wirbt für ein Einlenken im Sinne des Klimaschutzes. Kritik kommt erneut von der Opposition.

Erwin Sellering wirft der Landesregierung staatliches Fehlverhalten im Umgang mit der Klimastiftung vor. Er wirbt für ein Einlenken im Sinne des Klimaschutzes. Kritik kommt erneut von der Opposition.

Der frühere Ministerpräsident und Ex-Stiftungsvorstand Erwin Sellering hat seiner Nachfolgerin Manuela Schwesig (beide SPD) im Umgang mit der Klimastiftung MV „schweres staatliches Fehlverhalten“ vorgeworfen. Die von ihr geführte Landesregierung forderte er auf, den über der Stiftung verhängten Bann aufzuheben und damit die Arbeit für den Klimaschutz zu erleichtern. Der heute 75-Jährige war als Zeuge vor den Landtags-Untersuchungsausschuss geladen, der sich mit den Hintergründen der Stiftungsgründung befasst. 

Die Stiftung war Anfang 2021 auf Beschluss des Landtags gegründet worden. Die Entscheidung dazu sei im Parlament ohne Gegenstimme getroffen worden, betonte Sellering. Die zum russischen Staatskonzern Gazprom gehörende Nord Stream 2 AG brachte 20 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen in die Stiftung ein, das Land lediglich 200.000 Euro. 

Befürworter verweisen auf den in der Satzung verankerten Stiftungszweck Klima– und Umweltschutz. Gegner hingegen sehen in der Stiftung lediglich eine Tarnorganisation, da sie über einen gesonderten wirtschaftlichen Teil die Vollendung der Erdgasleitung Nord Stream 2 sicherstellen sollte, die durch US-Sanktionen infrage gestellt war. 

Unterstützung für Nord Stream nach Kriegsbeginn beendet 

Sellering begründete vor dem Untersuchungsausschuss erneut seine Weigerung, die Stiftung als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vollständig aufzulösen. Dieser Beschluss des Landtags vom März 2022 sei aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar gewesen, was der Landtag auf Basis eines Gutachtens später auch eingesehen habe. Es habe Einvernehmen darüber bestanden, dass der wirtschaftliche Teil nach Kriegsbeginn nicht weitergeführt werden kann, nach seiner Meinung aber der Klimaschutz. „Ich wollte mit der Regierung etwas Vernünftiges hinbekommen. Es gelang aber leider nicht“, sagte Sellering.  

Es sei an der Zeit, dass die Regierung und die Ministerpräsidentin endlich ihren Frieden mit der Stiftung machen, sagte der frühere SPD-Politiker. Zumindest bedürfe es einer öffentlichen Erklärung, dass keinerlei Bedenken mehr gegen eine Zusammenarbeit mit der Klimastiftung bestehen. 

Sellering kritisierte insbesondere das vom Bildungsministerin verhängte Verbot für Schulen, mit der Stiftung gemeinsame Klimaschutz-Vorhaben zu entwickeln, wie es etwa mit dem Projekt „Buddeln für Bäume“ schon mit den Kitas im Land gelungen sei. Nach Sellerings Angaben ist weiterhin viel Geld für Klimaschutzmaßnahmen vorhanden und damit für den satzungsgemäßen Stiftungszweck. 

Regierungssprecher Andreas Timm räumte ein, dass es zur Auflösbarkeit der Stiftung lange Zeit unterschiedliche Auffassungen gegeben habe. Doch sei inzwischen ein Weg gefunden, die Stiftung in die Gesellschaft zu überführen, sagte er. Sellering habe im Ausschuss klargestellt, dass es keine Einflussnahme der Landesregierung auf das operative Geschäft der Stiftung gegeben und die Stiftung die Ostsee-Pipeline weder betrieben noch gebaut habe. „Damit sind zwei zentrale Aussagen der Landesregierung bestätigt und zwei zentrale Vorwürfe der Fraktionen der CDU und der Grünen widerlegt“, betonte Timm. 

Sellering: Stiftungsvorstand handelte stets eigenständig

Der auf Initiative von CDU, Grünen und FDP eingerichtete Sonderausschuss will unter anderem herausfinden, ob es Einfluss aus Russland auf die Entscheidungen der Landesregierung bei der Stiftungsgründung und das Wirken der Stiftung selbst gegeben hat. In seiner gut zweistündigen Einlassung betonte Sellering, dass der von ihm geführte Stiftungsvorstand stets eigenständig gehandelt und sich dabei von der Satzung habe leiten lassen. 

Der Klimaschutz sei das vorrangige und auf Dauer angelegte Ziel gewesen, die Unterstützung beim Fertigstellen der Erdgasleitung Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland nur eine zeitlich befristete Aufgabe. Sellering verteidigte auch diesen von Nord Stream separat finanzierten Stiftungsteil. Es sei darum gegangen, die durch US-Sanktionen gefährdete Fertigstellung der Pipeline abzusichern, die von Deutschland und der EU im Sinne einer zuverlässigen Gasversorgung gewollt war. 

Sellering: „Stiftung hat die Pipeline weder gebaut noch betrieben“

Der wirtschaftliche Teil der Stiftung sei dabei als eine Art Makler zwischen Nord Stream und Auftragnehmern aufgetreten und habe Verträge abgeschlossen. „Die Stiftung hat die Pipeline weder gebaut noch betrieben“, sagte Sellering. Unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seien der wirtschaftliche Teil der Stiftung abgewickelt und alle Kontakte zu Nord Stream 2 abgebrochen worden. Die bis dahin erzielten Umsätze bezifferte Sellering mit 165 Millionen Euro, wobei zehn Prozent als Provision für den Klimaschutz abgefallen seien.

In der Befragung räumte Sellering ein, als Regierungschef mehrfach auch Kontakt zu Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gehabt zu haben, der nach seinem Ausscheiden aus der Politik lange Jahre für russische Energiekonzerne aktiv, unter anderem als Präsident des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG. Auch mit Matthias Warnig, von 2015 bis 2023 Geschäftsführer der Nord Stream 2 AG, habe es Kontakte gegeben. Doch sei es dabei nicht darum gegangen, dass er sich für den Pipeline-Bau einsetze. Er sei möglichen Investoren im Interesse des Landes stets freundlich begegnet, habe sich aus Prinzip aber nicht in behördliche Verfahren eingemischt.

Grünen-Politiker Damm bezweifelt Sellerings Darstellung 

Das zog der Grünen-Abgeordnete Hannes Damm in Zweifel: „Die Aktenlage widerspricht dem klar: Laut Unterlagen verabredete Sellering mit Nord Stream 2-Chef Matthias Warnig, ein positives Signal der Landesregierung für die Pipeline zu senden. Dies erfolgte durch einen Kabinettsbericht des Ministerpräsidenten, in dem die Unterstützung für Nord Stream 2 ausdrücklich festgehalten wurde“, sagte Damm unter Verweis auf ein vertrauliches Dokument, das auch der Nord Stream 2 AG ausgehändigt worden sei. Sellering bestritt die in dem Schreiben formulierte Aussage. 

Sein persönliches Engagement für die deutsch-russische Zusammenarbeit verteidigte Sellering vor dem Ausschuss. Für das wirtschaftlich benachteiligte Mecklenburg-Vorpommern seien die früheren Kontakte zu Unternehmen in der Sowjetunion einer der wenigen Vorteile gegenüber westlichen Bundesländern gewesen, an die es anzuknüpfen galt. Außerdem sei er der Überzeugung, dass wirtschaftliche, politische und persönliche Kontakte besser seien als Konfrontation. Sellering hatte den Russlandtag in Rostock initiiert und später auch die Gründung des deutsch-russischen Vereins in Schwerin. 

CDU-Kritik an Verhalten Sellerings 

Der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Ehlers warf dem früheren Regierungschef nach der Anhörung einen Mangel Selbstkritik vor. „In der Welt von Erwin Sellering sind stets andere schuld“, sagte Ehlers. In seinen Ausführungen seien nur zwei Gruppen ohne Anwürfe davongekommen: seine Stiftung und Russland.

„Sellerings Ausführungen, Angriffe und Anfeindungen sollten offenbar dem Versuch dienen, vom wichtigen Teil der Zeugenbefragung abzulenken. So standen die ausschweifenden Erklärungen zu Geschichte, Gesellschaft und Politik in krassem Missverhältnis zu den schmallippigen Angaben zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses“, sagte Ehlers.