
Von der Northvolt-Insolvenz über ein teures Welcome-Center bis zum Ausfall einer neuen Fähre: Der Bund der Steuerzahler prangert exemplarisch Fälle von Verschwendung an. Und spricht von Erfolgen.
Ob es eine emissionsarme, aber nicht fahrende Auto- und Passagierfähre in Lübeck ist, ein Welcome Center mit nur wenigen Vermittlungen oder die Folgen einer dreistelligen Millionenbürgschaft für die Pläne einer Northvolt-Batteriefabrik: Der Bund der Steuerzahler prangert weiterhin Fälle von Verschwendung in Schleswig-Holstein an. Im diesjährigen Schwarzbuch werden sieben Fälle aus dem Norden aufgelistet, bundesweit sind es 100.
„Pleiten, Pech und Pannen begleiten nach wie vor viele öffentliche Projekte in Schleswig-Holstein„, sagte der Präsident des Steuerzahlerbunds in Schleswig-Holstein, Aloys Altmann. Immer wieder gebe es allzu optimistische Erwartungen, fehlende Prioritätensetzung und eine mangelhafte Planung als Ursache von Fehlern in Politik und Verwaltung.
Teure Bürgschaft
Nicht nur für das Land, sondern auch für den Bund hat die Bürgschaft in Höhe von 600 Millionen Euro für den Bau einer Batteriefabrik für Elektroautos durch das mittlerweile insolvente schwedische Unternehmen Northvolt Folgen. Die verbürgte Wandelanleihe gilt mittlerweile als verloren, Schleswig-Holstein übernahm davon 300 Millionen Euro.
Die Subventionsentscheidung habe auf einer vollkommen ungenügenden Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit beruht, kritisierte der Verband. Minister bräuchten in ihrer Arbeit Entscheidungsfreiheiten. „Doch dürfen diese nicht in einem Freibrief münden, der die Klärung von Schadensersatzansprüchen bei vermeidbaren teuren Fehlentscheidungen verhindert.“
Fährausfall
Mehr als fünf Millionen Euro hat eine neue Auto– und Passagierfähre für den Verkehr zwischen den Lübecker Stadtteilen Travemünde und Priwall gekostet. Seit der Übergabe im November 2023 sei der Neubau mit Hybrid-Antrieb aufgrund einer ganzen Reihe von Fehlern aber nur an drei Tagen im Regelbetrieb eingesetzt worden, kritisierte der Verband.
Die Stadtwerke Lübeck wiesen den Vorwurf zurück. „Die „Welt ahoi!“ verfügt über einen Elektroantrieb mit Batterien als Stromspeicher sowie einen Dieselgenerator, der zur Aufladung der Batterien während des Fährbetriebs dient. Dieser Antrieb ermöglicht in seiner technischen Funktionsweise erstmalig den Übergang zu einem emissionsfreien Fährbetrieb über die Trave.“
In der Schifffahrt gebe es zu diesem Antriebskonzept keine langjährigen Erfahrungen, erklärten die Stadtwerke. Deshalb seien ausgiebige Testphasen von Anfang an zeitlich eingeplant worden. Derzeit gebe es Testfahrten inklusive Personen- und Fahrzeugbeförderungen. „Aufgrund technischer Unwägbarkeiten lässt sich aktuell dennoch kein verlässlicher Termin für den dauerhaften Fährbetrieb nennen.“ Führten die Gewährleistungsarbeiten nicht zur Inbetriebnahme, bleibe noch die Möglichkeit rechtlicher Mittel. Der reguläre Fährbetrieb sei durch zwei weitere Schiffe gewährleistet und werde durch die „Welt ahoi!“ ergänzt.
Sundquerung
Ein anderer Fall sind Mehrkosten in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro im Zuge der Ertüchtigung der Fehmarnsund-Brücke als temporärer Ausweichtrasse für die Bahn, falls der parallel noch zu bauende Tunnel nicht rechtzeitig fertig wird. Erst 2020 fiel die Entscheidung für einen Tunnel für eine vierspurige Bundesstraße und eine zweigleisige, elektrifizierte Bahnstrecke. „Die Entscheidung über die Querung des Fehmarnsunds ist viel zu spät gefallen“, kritisierte der Steuerzahlerbund. Die Mehrkosten seien vermeidbar gewesen.
Von 2029 an soll ein 18 Kilometer langer Straßen- und Eisenbahntunnel zwischen der deutschen Ostseeinsel Fehmarn und der dänischen Insel Lolland die Regionen verbinden. Die dänische Projektgesellschaft der geplanten Fehmarnbeltquerung zwischen Norddeutschland und Dänemark rechnet mittlerweile mit einer Verzögerung bei der Eröffnung des Milliardenprojekts.
Eine Bahnsprecherin erklärte, die Schienenanbindung des Ostseetunnels und die Instandhaltung der Fehmarnsundbrücke seien zwei unabhängige Projekte. Der Inbetriebnahmetermin der Schienenanbindung inklusive des Sundtunnels habe somit keinen Einfluss auf die geplanten Instandhaltungsmaßnahmen an der Fehmarnsundbrücke, die seit 2019 umgesetzt und aus Instandhaltungsmitteln finanziert würden.
Privatwald
Ein weiterer Fall im Schwarzbuch sind rund 130.000 Euro an Finanzausgleichsmitteln aus den Jahren 2021 bis 2023 an die Familie der Grafen Bismarck für ihren Privatwald (Sachsenwald), die ihr nicht zugestanden haben. Im Februar benannte der Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg einen Fehler in der Geodatenbank als Ursache. Dort seien die Straßen irrtümlich als Gemeindestraßen ausgegeben worden, sagte Christoph Mager (CDU) im Februar im Finanzausschuss des Landtags.
Der östlich von Hamburg gelegene Sachsenwald befindet sich in Privatbesitz, das Gebiet gehört bisher keiner Gemeinde an. Dies soll sich nach Plänen des Landes mit dem kommenden Jahr ändern. Doch die Entscheidung stößt auf Befürchtungen der anliegenden Gemeinden vor hohen Kosten und Aufwänden.
Willkommenskultur
Thema im Schwarzbuch ist auch das Ende 2023 eröffnete Welcome Center des Landes Schleswig-Holstein. Dieses habe sich als „ungeeigneter Versuch erwiesen, ausländische Fachkräfte anzuwerben“, kritisiert der Verband. „Die viel zu teure Einrichtung darf so nicht weitergeführt werden.“ Mit den zehn Vollzeitstellen seien 2024 nur 516 Beratungen erfolgt und Bewerber vermittelt worden.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Verband stütze sich auf veraltete Zahlen und blende die tatsächliche Entwicklung der Einrichtung aus. „Betrachtet wurde ausschließlich das erste Jahr, das naturgemäß im Zeichen des Aufbaus stand.“ In dieser Phase habe der Schwerpunkt darauf gelegen, die Voraussetzungen für einen dauerhaften Betrieb zu schaffen. „Seit der Startphase entwickelt sich das Welcome Center sehr dynamisch. Die Nachfrage steigt kontinuierlich an – bis zum 15. September dieses Jahres wurden bereits knapp 2.000 Anfragen registriert.“ Das Welcome Center habe sich als zentrale Anlaufstelle für Unternehmen und internationale Fachkräfte etabliert und trage zur Fachkräftesicherung bei.
Positiv
Zwei andere Fälle sieht der Verband nun aber als Erfolg an, weil die Verschwendung beendet wurde. Zum einen wird die Spenden-Plattform „wir-bewegen.sh“ des Landes Ende des Jahres eingestellt. Sie kostete in zehn Jahren gut 1,2 Millionen Euro und brachte knapp 2,2 Millionen Euro an Spenden ein. „Somit haben die Steuerzahler jeden Spenden-Euro mit 50 Cent subventioniert“, kritisierte der Verband.
Zudem verzichtet die schwarz-grüne Landesregierung darauf, bei dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr das Wort „Straßenbau“ zu tilgen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Kosten hätten mehr als 200.000 Euro betragen. Im Schwarzbuch 2023/24 hatte der Bund der Steuerzahler deshalb gefordert, darauf zu verzichten.