Die Zollfahndung hob in Brandenburg eine Art Drogenfabrik aus. Der Fall ist für einen Anti-Sucht-Koordinator eine Mahnung, Drogenprävention auch auf dem Land nicht zu vernachlässigen.
Vor der Aushebung des riesigen Drogenlabors im brandenburgischen Nauen bei Berlin war die Zollfahndung den Tätern ein halbes Jahr auf der Spur. Dann wurde die Drogenfabrik zur Herstellung synthetischer Party-Rauschgifte Ende Oktober ausgehoben, wie die Zollfahndung mitteilte. Neu veröffentlichte Fotos zeigen eine Halle in einem Industriegebiet voller verdreckter Wanne und Kanister mit Chemikalien.
400 Kilogramm der synthetischen Drogen 3-CMC und 4-CMC aus der Gruppe der Amphetamine und über 200.000 Euro Bargeld wurden beschlagnahmt. Zwei Männer, ein 41-jähriger Pole und ein 50-jähriger Ukrainer, wurden festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft. Einsatzleiter Henner Grote vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg sagte: „Das ist das größte Labor, das ich in meiner über 30-jährigen Zeit bei der Drogenfahndung gesehen habe.“
„Enorm großes Geschäft der Organisierten Kriminalität“
Für den Anti-Sucht-Koordinator Christoph Seide ist der Fund eine Art Weckruf. „Es weckt einen wieder massiv auf und zeigt, wie enorm groß dieses Geschäft der Organisierten Kriminalität ist“, sagte der Sozialpädagoge der Deutschen Presse-Agentur.
Seide ist Suchtpräventionskoordinator in der Kleinstadt Rathenow und leitet den Arbeitskreis gegen Drogen im Westhavelland. Im rund 40 Kilometer entfernten Nauen im selben Landkreis entdeckten Polizei und Zollfahnder vergangene Woche das Drogenlabor von beispiellosem Ausmaß.
Seide: Fall erinnert auch an Bedeutung der Suchtprävention
„Das beschäftigt die Menschen“, sagte Seide zu dem Fall. Er erinnere daran, wie wichtig es sei, in Kitas und Schulen möglichst frühzeitig die Widerstandskräfte der jungen Menschen zu stärken. „Mein Ziel ist es, vor die Welle zu kommen.“ Aber zu glauben, dass solche Geschäftsfelder irgendwann nicht mehr existierten, sei naiv.
In Rathenow im Havelland war 2023 eine 15-Jährige nach dem Konsum von Ecstasy im Krankenhaus gestorben. Der Fall hatte ein Augenmerk auf Drogenprobleme auch in ländlichen Regionen abseits der Metropole Berlin gelegt. „Es gab weiterhin Überdosierungen im jungen Alter – man hat genug zu tun“, sagte Seide zur Entwicklung in der Region nach dem Tod der 15-Jährigen.
Nikotinbeutel und Lachgas zunehmend verbreitet
Er stellt bei jungen Leuten eine zunehmende Verbreitung etwa von Nikotinbeuteln, dem tabakhaltigem sogenannten Snus, und von Lachgas fest. Lachgas (Distickstoffmonoxid) wird in Deutschland zunehmend als riskante Partydroge konsumiert. Der Stoff sei eine extreme Belastung für das Nervensystem, sagte Seide.
Das Bundeskabinett brachte einen Gesetzentwurf von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf den Weg, der Erwerb und Besitz für Minderjährige untersagt. Verboten werden sollen generell der Online-Handel und der Kauf an Selbstbedienungsautomaten. In der Medizin dient Lachgas als leichtes Betäubungsmittel gegen Ängste und Schmerzen.
Projekte zur Suchtprävention im Westhavelland
Der Sozialpädagoge Seide hat mit einem Netzwerk im Westhavelland mehrere Projekte auf die Beine gestellt. Er thematisiert Drogensucht in Kinofilmen, bringt junge Leute für Graffiti-Projekte zusammen und will auch mit Kinderärzten zusammen arbeiten. „Suchtprävention ist eine freiwillige Leistung, aber ich würde sagen, dass auch andere Regionen davon profitieren, wenn sie solche Strukturen schaffen würden“, sagte Seide.
Die Polizei ging zuletzt auch bei ihren Ermittlungen zum rätselhaften Verschwinden eines 24-Jährigen aus Rathenow möglichen Kontakten zur Drogenszene nach.